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Was ist Biodiversität?
"Lonesome George", zu deutsch der "einsame Georg", ist wirklich einsam. Er hat nicht nur keine Geschwister und Freunde, sondern er ist das allerletzte verbliebene Exemplar seiner Art. Die Galápagos-Riesenschildkröte ist etwa 80 Jahre alt und lebt in einer Forschungsstation auf Pinta, einer der Galápagos-Inseln im östlichen Pazifik.
Zu diesen Inseln segelte im September 1835 der Naturwissenschaftler Charles Darwin (1809-1882) mit seiner HMS Beagle und sammelte dort Tier- und Pflanzenproben - auf deren Grundlage stellte er dann die Evolutionstheorie auf: Sie erklärt, wie die Vielfalt des Lebens - die Biodiversität - als Ergebnis von Anpassung und natürlicher Selektion entstanden ist.
Biodiversität - was ist das eigentlich?
Biodiversität - der etwas sperrige Begriff meint zum einen die Vielfalt der Ökosysteme und Gene, aber auch aller unterschiedlichen Tier- und Pflanzenarten, von Amsel bis Zittergras. Insgesamt, so schätzen Biologen, leben auf der Erde etwa 10-20 Millionen Arten. Gezählt und beschrieben haben die Wissenschaftler bis jetzt aber erst rund zwei Millionen davon.
Durch die natürliche Evolution gewinnt das Leben an Vielfalt dazu: Wissenschaftler schätzen, dass pro eine Million Arten jedes Jahr eine Art evolutionär neu entsteht. Und auch durch Züchtung entstehen neue Tier- und Pflanzenarten.
Aber mit jeder ausgestorbenen Art verliert das Leben an Vielfalt: Stirbt "Lonesome George", ist die Art "Galápagos-Riesenschildkröte" ebenso ausradiert wie die rund 150 Tier- und Pflanzenarten, die täglich unwiederbringlich verschwinden. Die meisten davon kannten wir gar nicht und werden sie auch nie kennenlernen.
Warum das? Weil die größte Vielfalt der Arten in den für uns schwer zugänglichen Ökosystemen der marinen Korallenriffe und des tropischen Regenwaldes anzutreffen sind. Hier lebt über die Hälfte aller bekannten Tier- und Pflanzenarten!
Korallenriffe – "Tropenwälder der Meere"
Korallenriffe gehören zu den absolut artenreichsten Ökosystemen: Wissenschaftler schätzen, dass sich in einem Riff bis zu einer Million Arten tummeln.
Im größten Korallenriff der Erde, dem Great Barrier Reef vor der Nordostküste Australiens, leben 1500 Fischarten, 1500 Schwammarten, 5000 Weichtierarten, 800 Arten von Stachelhäutern und über 200 Arten von Wasservögeln.

Doch diese Vielfalt des Lebens findet sich nicht nur an der warmen und hellen Oberfläche der Meere - vor ein paar Jahren entdeckten Forscher auch in den arktischen Gewässern Nordnorwegens riesige Korallenriffe in 1000 Metern Tiefe. Das ist gar nicht verwunderlich, denn wir kennen die Oberfläche des Mondes besser als die Tiefen der Ozeane.
Woher kommt der Reichtum der Arten?
Auch im undurchdringlichen Regenwald Asiens und Zentralamerikas wimmelt es nur so vor Leben. Forscher haben herausgefunden, dass es hier die größte Vielfalt an Pflanzenarten gibt: Sie konzentriert sich auf nur zwei Prozent der Landoberfläche: In Kolumbien, Ecuador und Peru kann man über 40.000 Pflanzenarten finden. Zum Vergleich: Deutschland beheimatet nur ungefähr 9500 Pflanzenarten – und viele davon sind vom Aussterben bedroht.
Warum neben den Korallenriffen der tropische Regenwald von allen Ökosystemen den größten Artenreichtum besitzt, ist nicht eindeutig geklärt. Eine Theorie macht die niederschlagsarmen Zeiten der Erdgeschichte – also insbesondere die Eiszeiten – dafür verantwortlich. Denn während dieser Zeiten bildeten sich die Regenwaldflächen zurück und zerfielen in mehrere kleine "Regenwald-Inseln".
Dadurch verloren die Populationen untereinander den Kontakt zueinander und entwickelten sich in diesen kleinen "Regenwald-Inseln" jeweils zu neuen Arten. Kam wieder eine feuchte und wärmere Zwischeneiszeit, breitete sich der Regenwald wieder aus – und mit ihm die neu entstandenen Tier- und Pflanzenarten.
Fakt ist: Die konstant hohen Lufttemperaturen von 24 bis 28 Grad Celsius und die hohe Luftfeuchte von 70 bis 80 Prozent tragen zu dem üppigem Artenreichtum im Regenwald bei.
Vielfalt in Gefahr - Warum ist Biodiversität schützenswert?
Doch die Vielfalt ist in Gefahr. Für das drastische Artensterben ist fast immer der Mensch verantwortlich: Er raubt vielen Arten den Lebensraum und nimmt ihnen die Lebensgrundlage: Er holzt Regenwälder ab, betoniert die Landschaft, betreibt intensive Landwirtschaft und verschmutzt die Umwelt.
Oft ist eine einzige Art für ein Ökosystem schon ein bedrohlicher Verlust. Das Walliser Schwingel zum Beispiel: Das unscheinbare Gras wächst in den Alpen und im Kaukasus an steilen Hängen und fällt kaum auf, leistet aber Schwerstarbeit: Durch seine Wurzeln stabilisiert es die steilen Gebirgshänge.
Auch für uns Menschen besitzt die Artenvielfalt einen direkten Nutzen: Die Natur ist sozusagen eine große Apotheke. Denn die Abwehrstoffe der Tiere und Pflanzen, die sie im Laufe der Evolution gebildet haben, nutzen Mediziner und Pharmazeuten als Wirkstoffe für Medikamente. Antibiotika zum Beispiel, unsere stärkste Hilfe im Kampf gegen Infektionen, werden aus einem Stoffwechselprodukt gewonnen, mit dem sich Pilze gegen Bakterien schützen.
Inzwischen durchkämmen so genannte Bioprospektoren die Ökosysteme der Erde, von den Korallenriffen der Tiefsee über Geysire bis hin zu den Kronendächern der Regenwälder, stets auf der Suche nach neuen Wirkstoffen.
Auch wirtschaftlich gesehen sind artenreichere Ökosysteme natürlich wertvoller als artenärmere. Wissenschaftler haben berechnet, dass etwa die Korallenriffe der Ozeane jedes Jahr etwa 170 Milliarden Dollar - beim aktuellen Wechselkrus sind das rund 120 Millionen Euro - "erwirtschaften": Sie dienen den Menschen etwa als Nahrungsgrundlage, Tourismusziel und als natürliche Barrieren vor Hochwasser. "Ökosystemdienstleistungen" könnte man diese Verdienste der Natur auch nennen.
"Übereinkommen über die biologische Vielfalt"
Obwohl das Thema der schwindenden Artenvielfalt nicht täglich in den Medien präsent ist und das Bewusstsein der Menschen dafür noch nicht ausreichend geschaffen wurde, wurden bereits zahlreiche Projekte für den Erhalt der Biodiversität auf die Beine gestellt.
Eines davon ist das Übereinkommen über die biologische Vielfalt, das die Vereinten Nationen auf dem Weltumweltgipfel 1992 beschlossen haben. Dabei setzten sie sich zum Ziel, die biologische Vielfalt zu erhalten und verantwortungsvoll mit ihr umzugehen. Um dieses Ziel zu erreichen, wurden Schutzgebiete eingerichtet und Verträge mit den Staaten geschlossen, die wirtschaftlich arm sind, aber eine hohe Biodiversität haben: Sie werden für den Schutz ihrer Ökosysteme belohnt.
Im Alltag: wie kann ich beitragen, die Biodiversität zu bewahren?
Um die Vielfalt der Lebensräume und damit des Lebens zu bewahren, kann jeder einen kleinen Beitrag leisten:
Das kann jeder von uns tun:
- Achtet beim Einkaufen auf saisonales Obst und Gemüse aus ökologischem Anbau ohne Pestizide, denn dort ist die Biodiversität viel höher als bei Monokulturen. Außerdem schützt diese Art von Anbau den Boden und die Bodenorganismen
- Kauft an Obst und Gemüse am besten regionale Produkte: So wird die lokale Biodiversität erhalten und ihr leistet gleichzeitig einen Beitrag zum Klimaschutz
- Esst den einen oder anderen Burger weniger: Der weltweite Hunger auf Rindfleisch wirkt sich auf den tropischen Regenwald des Amazonas aus: Der Wald wird gerodet, um Futter für Rinder anzubauen. Außerdem ist die Rindfleischproduktion sehr klimaschädlich
- Wenn ihr die Möglichkeit habt, baut in eurem Garten oder auf dem Balkon einheimische Gewächse an – so tragt ihr dazu bei, dass die Biodiversität in der Stadt erhöht wird
- Richtet Nisthilfen für Bienen und Vögel ein – so können sich die Tiere ungestört fortpflanzen
- Ihr braucht neue Möbel? Achtet darauf, dass sie nicht aus Tropenholz bestehen. Das ist euer Beitrag für den Erhalt der Biodiversität im tropischen Regenwald
- Wenn ihr im Urlaub seid, verzichtet auf den Kauf von Korallen. Sie werden zu Schmuck verarbeitet - oft illegal
Macht mit beim GEO-Tag der Artenvielfalt!
Auch dieses Jahr gibt es wieder einen "GEO-Tag der Artenvielfalt". An vielen Orten in Deutschland und seinen Nachbarländern wollen wir gemeinsam den Reichtum der Arten entdecken. Dazu schreibt GEO gemeinsam mit Swarovski Optik einen Schülerwettbewerb zum Thema "Artenvielfalt" aus. Untersucht die Artenvielfalt vor eurer Haustür und gewinnt zum Beispiel eine Klassenfahrt! Anmelden könnt ihr euch auf www.geo.de/artenvielfalt unter "Schülerwettbewerb 2010: Aufruf".