Tierische Herausforderungen
Winseln, Schlecken und Bellen - all dies können Anzeichen für einen drohenden epileptischen Anfall sein. Viele Hunde haben eine Art siebten Sinn dafür und können ihren Besitzer oder sein Umfeld vorher warnen. Doch was ist Epilepsie überhaupt? Epilepsie bedeutet so viel wie "Krampfleiden". Menschen, die an Epilepsie leiden, bekommen in unterschiedlichen Abständen heftige Krampfanfälle, die sehr plötzlich und unerwartet auftreten können. Dann kann es etwa sein, dass der Epileptiker das Bewusstsein verliert und stürzt.
Dass Hunde epileptische Anfälle voraussagen können, wurde eher zufällig entdeckt. Epileptiker, die einen Hund hatten, haben vor ihren Anfällen ein verändertes Verhalten ihres Vierbeiners bemerkt. Im Jahr 2003 fanden kanadische Forscher heraus, dass 15 Prozent aller Hunde diese Anfälle erahnen können, ohne jemals dafür trainiert worden zu sein.
Das liegt an der besonderen Wahrnehmungsfähigkeit der Hunde, die der des Menschen weit überlegen ist. Durch ihren starken Geruchssinn nehmen die Vierbeiner selbst kleinste Veränderungen des menschlichen Körpers wahr. Kennt der Mensch seinen Hund gut, kann er seine Signale für einen drohenden Anfall erkennen. So kann ein Epileptiker zum Beispiel einen Sturz vermeiden, indem er sich rechtzeitig hinsetzt.
Außergewöhnliche Ausbildung
Obwohl viele Hunde Anfälle schon von Natur aus spüren können, müssen sie für den Einsatz als Epilepsiehunde noch extra ausgebildet werden. Das dauert zwei Jahre. Nicht alle Hunderassen sind für den Einsatz als Epilepsiehund geeignet. Es ist wichtig, dass sie besonders gut auf ihre Bezugspersonen achten und ihre Nähe suchen. Golden Retriever, Labrador Retriever und Schäferhunde sind Beispiele für solche Hunderassen.
Gabi Rosenbaum von der Hundeschule "Hundetage" in Bremen hat vor rund zehn Jahren den ersten Epilepsiehund Deutschlands, Bea, ausgebildet. Zurzeit arbeitet die Hundetrainerin mit einem noch sehr jungen Labradorrüden namens "Willow". "Er ist sehr feinfühlig und hat einen sehr hohen Arbeitswillen", erzählt uns Gabi Rosenbaum von ihrem Musterschüler. "Durchgehend beobachtet er seine Besitzerin. Außerdem ist er natürlich noch ziemlich verspielt, ausgesprochen verfressen und weiß genau, was er will. Er ist einfach immer gut gelaunt." Seine Besitzerin, eine junge Frau, bekommt regelmäßig epileptische Anfälle. Sie lebt alleine, ist schon mehrfach schwer gestürzt und konnte sich stundenlang nicht selbst helfen, weil sie nicht aufstehen konnte und kein Telefon griffbereit war. "Wir haben gemeinsam nach einem Hund gesucht", erzählt Gabi Rosenbaum. "Im Alter von acht Wochen ist Willow bei ihr eingezogen."
Auf der nächsten Seite erfahrt ihr, warum kranke Menschen ihre Epilepsiehunde unbedingt brauchen.
Die Hundetrainerin arbeitet am liebsten mit Hunden, wenn sie noch sehr klein sind. "Natürlich gehen wir sehr spielerisch an alles heran. Aber der junge Hund soll von klein auf lernen, dass ein Anfall eine besondere Situation ist, auf die alle Anwesenden reagieren." Dadurch, dass die Hunde schon als Welpen zu ihren Herrchen kommen, wird die wichtige Bindung zwischen Mensch und Vierbeiner schon sehr früh geknüpft. Nur wenn sich Hund und Mensch lange kennen, können sie gegenseitige Achtung und Vertrauen aufbauen. "Deshalb", so erzählt Gabi Rosenbaum, "wird der Hundebesitzer auch sehr stark mit in die Ausbildung einbezogen. Der Betroffene ist der eigentliche Ausbilder. Auf ihn muss der Hund seine Hauptaufmerksamkeit richten, um jederzeit einen Anfall voraussagen zu können. Ich bin nur die Trainerin."
In der Ausbildung werden die angeborenen Fähigkeiten des Hundes in die richtigen Bahnen gelenkt und zusätzliche Fähigkeiten antrainiert, die dem Herrchen im Notfall helfen können. So können Epilepsiehunde beispielsweise dazu ausgebildet werden, einen Anfall vorauszusagen, andere Menschen zur Hilfe zu holen, einen Alarmknopf zu betätigen oder auch das Herrchen nachhause zu führen.
Unersetzbare Mitarbeiter
Gabi Rosenbaum bekommt mehr Nachfragen, ob sie nicht weitere Epilepsiehunde ausbilden könne, als sie schaffen kann. "Es gibt leider wenige Hundeschulen, die sich ernsthaft mit der Ausbildung solcher Hunde beschäftigen. Ich würde mir wünschen, dass es ein Netz von vertrauenswürdigen Ausbildungsstätten in Deutschland gäbe", erklärt Gabi Rosenbaum hoffnungsvoll. "Die Menschen brauchen ihre Epilepsiehunde."
"Eines Morgens", erinnert sich die Hundetrainerin "ging zum Beispiel eine junge Frau mit ihrem Golden Retriever, der bei mir im Training war, spazieren und ließ ihn, wie gewohnt, am Waldrand von der Leine. Statt loszulaufen, wie es der Hund sonst immer tat, blieb er ganz dicht bei ihr und ließ sich auch nicht fortschicken. Etwa eine Minute danach bekam die Frau einen Anfall."
Daran sieht man, wie wichtig Epilepsiehunde für ihre erkrankten Herrchen und Frauchen sind. Die Epilepsiehunde werden zu Helfern in der Not - und manchmal sogar zu Lebensrettern!