Es kostet Svea jedes Mal Überwindung, den Begrüßungsruf ihrer Mannschaft laut über das Spielfeld zu schreien. Alle hören zu: die Zuschauer, die Trainer, die Schiedsrichter und natürlich die Gegner aus Wiesbaden, denen Svea und ihr Team in diesem Moment gegenüberstehen. "Gib mir ein H!", ruft die neunjährige Kapitänin. "H!", antwortet ihre Mannschaft. "Gib mir ein C!" – "C!" – "Gib mir ein Horn!" "HORN!" – "Wer sind wir?" – "DER HC HORN!"
Das HC steht für "Hockey-Club". Horn heißt der Bremer Stadtteil, aus dem Svea und ihr Team hierher angereist sind: zum größten Mädchen-Hockeyturnier Deutschlands. Mehr als 70 Mannschaften kommen jedes Jahr zu dem Spektakel ins rheinland-pfälzische Bad Kreuznach. Die jüngsten Teilnehmerinnen sind acht, die ältesten 17 Jahre alt, insgesamt rund 800 Mädchen, die die Hockeyanlage für ein Wochenende in eine Zeltstadt verwandeln. Frei bleiben nur die fünf Spielfelder, auf denen von morgens bis abends der Ball rollt.

Einen Pokal gibt es nicht zu gewinnen
"Uns ist es wichtig, gegen Mannschaften anzutreten, die wir nicht kennen. So sehen wir, wie gut wir wirklich sind", erzählt Sveas Freundin Ricarda. Die beiden Bremerinnen spielen seit fast sechs Jahren Hockey. Ihr Ziel: "Wir wollen eines Tages in der Nationalmannschaft spielen!"
Das Spiel gegen die Mädchen aus Wiesbaden ist ein erster Schritt dorthin. "Wir wollen hier Spaß haben und uns verbessern", hatte Trainer Kai-Uwe angekündigt. Besser werden? Das bedeutet im Hockey, als Team aufzutreten: "Alle sechs Feldspieler sollen sich den Ball zuspielen, nicht nur zwei oder drei", sagt der Trainer. "Wer den Ball hat, muss gucken, wo jemand freisteht. Die anderen helfen, indem sie sich freilaufen."

Leichter gesagt, als getan!

Svea und Ricarda sind bis zu einen Kopf kleiner als die Wiesbadenerinnen. Dafür sprühen sie vor Ehrgeiz: Als die Gegner für eine Sekunde träumen, stibitzt Svea den Ball. Wie ein Wirbelwind umkurvt sie erst eine, dann eine zweite Spielerin, sprintet in den Schusskreis und katapultiert die Kugel in die linke Torecke: 1:0!
Ein einfacher Treffer, könnte man meinen. Doch ein solches Tor gelingt auch Svea nur bei etwa jedem dritten Versuch. Die anderen Male springt ihr der Ball über den Schläger oder sie säbelt an ihm vorbei – besonders dann, wenn Svea die Kugel im Sprint vor sich hertreibt oder aus vollem Lauf eine Flanke schlagen soll. "Manchmal hat man so viel Schwung, dass man den Ball einfach nicht trifft", erklärt sie.
Die Spannung steigt
Als der Ball jedoch zielsicher von Spielerin zu Spielerin saust, steigt die Spannung. Annika spielt auf Lea, Lea zu Ricarda. Die gibt den Ball weiter an Svea, die am Schusskreis lauert. Eine Traumkombination! Die Abwehr ist überrumpelt. Wieder läuft Svea allein auf das Tor zu. Macht sie den zweiten Treffer? Die Torhüterin tritt zwei Schritte heraus.
Svea schießt, doch der Ball prallt am Schienbeinschützer der Wiesbadenerin ab. Chance vergeben! "Früher schießen", schreit der Trainer von der Seitenlinie. Svea nimmt ihn beim Wort und trifft wenig später zum 2:0. Die Wiesbadenerinnen aber geben nicht auf. In kurzer Zeit gleichen sie aus. "Los, los!", feuern die Bremer Auswechselspielerin-nen vom Rand aus ihr Team an. Gegenüber auf der Wiesbadener Seite singen die Fans.

Ein pures Spaßwochenende
Beide Mannschaften wollen gewinnen, auch wenn eines wichtiger ist als jeder Torestand: Das Turnier soll Spaß machen! "Das Tolle ist, wir schlafen alle zusammen in Zelten, spielen zwischendurch Fußball gegen die Großen, und heute abend gibt es Pizza", schwärmen Svea und Ricarda.
Zunächst jedoch wollen sie unbedingt den Wiesbadener Sturmlauf beenden. 3:3 steht es inzwischen. Ricarda spielt den Ball auf Svea. Die will zum Spurt ansetzen, da wird sie abgedrängt und stürzt. Blitzschnell rappelt Svea sich wieder auf. Das 3:4-Siegtor für Wiesbaden kann sie dennoch nicht verhindern. Eine unglückliche Niederlage. Zeit zum Traurigsein bleibt den Mädchen aber nicht. Zwei Spiele stehen an diesem Tag noch auf dem Plan. Zweimal die Chance, 20 Minuten lang zu zeigen, was das Team des HC Horn kann!
Die wichtigsten Hockey-Regeln
Hockey dürfte all jene begeistern, die Teamgeist, Technik und Tempo mögen, nicht aber Fouls wie beim Fußball. Hockey ist nämlich ein körperloser Sport. Das heißt, die Spieler dürfen ihre Gegner weder mit dem Körper noch mit dem Schläger behindern. Es ist zudem allen außer dem Torwart verboten, den Ball mit dem Fuß oder der Hand zu berühren. Er darf nur mit der flachen Innenseite des Schlägers gespielt werden.
Eine Mannschaft besteht je nach Feldgröße aus bis zu zehn Feldspielern und einem Torwart, das Spielfeld teilt sich in zwei Hälften mit jeweils einem Schusskreis vor dem Tor. Ein Angreifer kann nur aus diesem Halbkreis heraus einen Treffer erzielen. In Deutschland spielen rund 35 000 Mädchen und Jungen im Alter bis 16 Jahren Hockey – im Winter allerdings in Sporthallen.