
Anne ist genervt. Wenn sie mit ihrem Hund Paul Gassi geht, zerrt der Labrador mit aller Kraft an der Leine. So doll, dass er kaum noch zu halten ist. Spaß macht das spazieren gehen so nicht. Anne reißt Paul immer wieder zurück und schimpft ihn aus. Dem Hund ist das schnuppe. Dass jemand am anderen Ende der Leine hängt, interessiert ihn nicht.
Aus nervigen Vierbeinern Freunde machen
Als Anne nicht mehr weiter weiß, wendet sie sich an Ulrike Geng. Die 34-Jährige ist Hundetrainerin. Sie zeigt Hundebesitzerinnen und -besitzern, wie sie aus dem nervigen Vierbeiner an ihrer Seite einen tollen Freund machen können. Dabei kam Ulrike Geng eher zufällig zu ihrem Beruf. Vor vielen Jahren war sie selbst auf der Suche nach einer Hundeschule und bemerkte: "Es ist nicht so einfach eine Schule zu finden, in der man sich gut aufgehoben fühlt." Mal wurden die Hunde schlecht behandelt, mal die Herrchen und Frauchen. Die Ausbilderinnen und Ausbilder brüllten die Hunde teils an und beschimpften die Menschen. Spaß machte das nicht. Ulrike Geng suchte weiter und hatte Glück. Sie fand eine tolle Hundeschule und lernte die Sprache der Hunde zu verstehen. Plötzlich machte ihr die Sache so viel Spaß, dass sie selbst als Hundetrainerin arbeiten wollte. Sie besuchte Kurse und Seminare und machte Praktika. Irgendwann war es dann so weit: Ulrike Geng eröffnete ihre eigene Hundeschule.
Praktika kosten viel Geld

„Hundetrainer/in" ist in Deutschland keine geschützte Berufsbezeichnung. Das bedeutet: Jeder kann sich so nennen. Eine vorgeschriebene Ausbildung gibt es nicht. Ulrike Geng rät jedem, der den Beruf lernen möchte, möglichst viele Praktika zu machen und erfahrenen Hundetrainerinnen und Hundetrainern bei der Arbeit über die Schulter zu gucken. Die Sache hat allerdings einen gewaltigen Haken. Während Praktikantinnen und Praktikanten in anderen Berufen nichts bezahlen müssen und ab und zu sogar ein paar Euro bekommen, kosten Praktika bei Hundetrainerinnen und -trainern richtig viel Geld. Eine Garantie, während des Praktikums etwas zu lernen, gibt es trotzdem nicht. Deshalb sollte man sich vor Beginn eines Praktikums ganz genau informieren und eventuell einen Schnuppertag einlegen. Dann sieht man ob der Praktikumsplatz auch wirklich der Richtige ist.
Lust, mit Menschen zu arbeiten
Was man braucht, um ein guter Hundetrainer oder eine gute Hundetrainerin zu werden? Ulrike Geng überlegt kurz. "Es reicht nicht, wenn man Hunde mag", sagt sie dann. "Man muss auch Lust haben mit Menschen zu arbeiten." In den meisten Fällen stellt sich nämlich ganz schnell raus, dass die Hunde nicht ungehorsam sind, weil sie ihre Besitzenden ärgern wollen. Oft verstehen sie einfach nicht, was ihr Zweibeiner von ihnen will.

Ein Beispiel: Für Dackel Rübezahl ist der dicke Wohnzimmerteppich ideal um darauf Pipi zu machen. Er muss lernen, dass seine Besitzer darauf irgendwie komisch reagieren. Umgekehrt müssen Herrchen und Frauchen lernen, dass Rübezahl sie nur dann versteht, wenn sie ihm immer die gleichen Kommandos geben. Der Welpe kann ja nicht wissen, dass "komm her" das gleiche bedeutet wie "hierher".
Hund und Mensch reden aneinander vorbei
"Kommunikationsprobleme" nennt Ulrike Geng das. Das bedeutet, dass Hund und Mensch aneinander vorbei reden. Der Job der Hundetrainerin ist es, zwischen beiden zu vermitteln. Sie muss Zweibeiner und Hund gleichzeitig verstehen und beiden helfen. Die Menschen müssen "hundliches" lernen und die Vierbeiner "unhundliches". Angehende Hundetrainerinnen und -trainer sollten deshalb aufgeschlossen sein und gute Umgangsformen haben.
Außerdem arbeiten diese meist im Freien – auch wenn es regnet oder schneit. Wer's lieber warm und kuschelig mag, sollte sich deshalb einen anderen Beruf suchen.
Nie die Angst verlieren
Ob man als Hundetrainerin gefährlich lebt? "Nur wenn man die Angst vor Hunden verliert", sagt Ulrike Geng. Auch wenn man jeden Tag mit Hunden zu tun habe, dürfe man Warnungen nicht übersehen. Manchmal beißen Hunde aber auch ganz plötzlich zu. Ulrike Geng hat das schon einmal bei einem jungen Bernersennhund erlebt. Sie wollten den kleinen Racker eigentlich nur am Geschirr halten, als er sich umdrehte und ihr kräftig in die Hand biss. Warum der Welpe so reagierte? Zusammen mit den Besitzern machte sich Ulrike Geng auf Spurensuche in der Vergangenheit des Hundes. Sie fanden heraus, dass der kleine Kerl vom Züchter am Nacken gepackt und heftig geschüttelt worden war. Er hatte Todesangst und merkte sich den Griff genau. "So einen Schock wird ein Hund sein Leben lang nicht los", sagt Ulrike Geng. Für die Besitzerinnen und Besitzer bedeutet das, dass sie ein ganzes Leben lang aufpassen müssen, wo und wie sie ihren Schützling anfassen.

Ein Beruf, keine Berufung!
Die Hundetrainerin findet ihren Beruf so richtig klasse. Trotzdem kann sie nur verständnislos mit dem Kopf schütteln, wenn sie hört, dass viele ihrer Kolleginnen und Kollegen den Beruf als Berufung sehen. Sie meint, dass gerade solche Hundetrainerinnen und -trainer die Wirklichkeit aus den Augen verlieren und nur noch für die Hunde leben. Dabei sei es schrecklich wichtig daran zu denken, dass man eigentlich den Menschen helfen sollte.
Im Fall von Anne und ihrem Hund Paul konnte Ulrike Geng beiden helfen. Es stellte sich nämlich ganz schnell heraus, dass der Labrador das fiese Zughalsband um seinen Hals nicht leiden konnte. Es war ihm so unangenehm, dass er ständig versuchte es los zu werden – indem er davor davon lief. Anne tauschte deshalb das Halsband gegen ein bequemeres Brustgeschirr und Paul bedankte sich, indem er seitdem brav an der Leine läuft. Meistens zumindest.
