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Ölpest: Der schmierige Schrecken

Endlich gibt es Erfolge im Kampf gegen die Ölpest am Golf von Mexiko. Den Ingenieuren ist es gelungen, das Bohrloch abzudichten, aus dem seit dem Untergang der Bohrinsel "Deepwater Horizon" am 20. April rund 700 Millionen Liter Öl ungehindert ins Meer gelaufen sind

Seit Wochen versuchen die Experten, die Katastrophe am Golf von Mexiko zu stoppen. Mitte Juli, etwa drei Monate nach der Explosion der Bohrinsel, gelingt es endlich, eine Abdichtkappe über dem Bohrloch zu installieren, die das Loch verschließt. Doch die Kappe ist nur eine provisorische Lösung. Im nächsten Schritt muss das Bohrloch komplett versiegelt werden.

An der Wasseroberfläche hat sich die Lage inzwischen entspannt, große Flächen des Ölteppichs haben sich aufgelöst. Aber: Rund 1000 Kilometer der amerikanischen Küste sind verseucht. An Land stapeln sich 35.000 Tonnen Sondermüll aus abgeschöpftem und aufgesammeltem Öl. Und das sind bislang nur die sichtbaren Folgen. Welche langfristigen Auswirkungen die Ölkatastrophe haben wird, weiß derzeit noch niemand.

04. AUGUST

Von Tankern aus werden große Mengen Schlamm und Zement von oben in den Bohrschacht gepumpt.
Von Tankern aus werden große Mengen Schlamm und Zement von oben in den Bohrschacht gepumpt.
© imago/Xinhua

In einer zweitätigen Aktion wird die Ölquelle endlich versiegelt! Dazu wird Schlamm in das obere Ende des Bohrschachts gepumpt, der das Öl zurückdrängt, und die Öffnung anschließend mit Zement versiegelt. Die Gefahr, dass sich dieser Stöpsel aus Schlamm lösen könnte, ist nur gering.

Trotzdem ist es zum Jubeln noch zu früh. Von den Seiten werden weitere Schächte zum Ölspeicher vier Kilometer unter dem Meeresboden gegraben. Durch diese Leitungen muss der Hauptschacht auch noch von unten mit Zement verschlossen werden, weil sonst der Druck im Schacht durch nachfliessendes Öl zu groß werden würde.

02. AUGUST 2010

Trotz Verboten durch die Umweltbehörde sind zur Bekämpfung der Umweltkatastrophe Hunderttausende Liter giftiger Chemikalien eingesetzt worden. Zum Glück ergeben Untersuchungen, dass diese für die Umwelt nicht giftiger sind als das Öl alleine.

Die Tests zur Versiegelung des Bohrlochs verzögern sich, da ein Leck am Kontrollsystem der Abdeckkappe entdeckt wurde.

27. JULI 2010

Das britische Unternehmen BP, Besitzer der ehemaligen Bohrinsel "Deepwater Horizon", verkauft für über fünf Milliarden Euro Öl- und Gasfelder in den USA, Kanada und Ägypten, um die Schäden für die Katastrophe am Golf von Mexiko bezahlen zu können.

25. JULI 2010

Das Sturmtief Bonnie hat sich schneller als erwartet wieder verzogen, so dass die Schiffe wieder auf See können.

Wie sich die Lage ab August – der Hauptsaison für Hurrikans – entwickelt, ist noch nicht abzusehen.

23. JULI 2010

Schon seit mehreren Wochen können die Fischer nicht mehr mit ihren Netzen hinaus fahren. Denn die meisten Fische sind verendet oder verseucht. Die Kutter und Theken der Fischläden bleiben leer – und damit auch die Kassen. Auch die Touristen bleiben aus. Viele Familien stehen vor dem finanziellen Ruin. Einige Fischer und Veranstalter von Bootsfahrten helfen dabei, kleinere Ölteppiche "einzufangen" und abzubrennen. Bis heute sind zirka 850 Millionen Liter Öl in den Golf von Mexiko gelaufen. Wissenschaftler rechnen damit, dass viele Fischarten für einige Jahre verschwinden werden. Denn viele von ihnen sind dem Öl zum Opfer fallen und werden sich demzufolge nicht fortpflanzen können.

Hilfskräfte den der Küste von Alabama
Hilfskräfte den der Küste von Alabama
© Jeff Haller/Keyhole Photo/Corbis

22. JULI 2010

Um Druck von dem Bohrloch zu nehmen und so Lecks vorzubeugen, soll eine Entlastungsbohrungen vorgenommen werden. Diese wollen die Experten dann mit Schlamm und Zement verschließen.

Doch ein aufziehender Sturm verzögert diesen Plan. Auch Schiffe, die nach wie vor Ölteppiche abschöpfen, wurden zur Sicherheit in die Häfen geschickt.

19. JULI 2010

Seit vier Tagen ist das Bohrloch dicht. Doch laut Presseberichten gibt es an mehreren Stellen um das Bohrloch mehrere kleine Lecks.

16. JULI 2010

Endlich gute Nachrichten – eine neue Abdichtkappe verhindert, dass weiteres Öl austritt. Nach drei Monaten zumindest ein Hoffnungsschimmer, die Katastrophe zumindest nicht noch weiter wachsen zu sehen.

11. JULI 2010

Die seit Anfang Juni auf dem Bohrloch sitzende Auffang-Vorrichtung wird erneuert. Während die Kappe der Vorrichtung ausgetauscht wird, fließt das Öl erneut ungehindert ins Meer.

6. JULI 2010

Die Ölpest breitet sich weiter aus: An mehreren Stränden im US-Bundesstaat Texas werden Ölklumpen angespült.

3. JULI 2010

Das Öl ist laut BP nicht dickflüssig genug, um vom Meerwasser getrennt zu werden. Ein weiterer Rückschlag für die Rettungskräfte.

1. JULI 2010

Neue Hoffnung: Der Riesentanker "A Whale" soll öliges Wasser aufsaugen und reinigen.

29. JUNI 2010

Ein Tropensturm unterbricht die Arbeiten auf See und verteilt das nach wie vor auslaufende Öl weiter. Ein weiteres Absaugsystem über der Unglücksstelle sollte installiert werden – das muss erst einmal warten.

23. JUNI 2010

Ein Unterwasserroboter stößt mit der Auffang-Vorrichtung zusammen. Es kommen zwei Menschen ums Leben und das Auffangen des Öls muss unterbrochen werden.

10. JUNI 2010

Nicht nur die Tiere, sondern auch die Menschen bekommen die Folgen der Ölpest zu spüren. Die Betroffenen leiden an Kopfschmerzen und Übelkeit. Vor allem greifen die Öldämpfe aber die Atemwege an. Neben den Helfern könnte es auch bald größere Teile der Bevölkerung treffen – das Wetter treibt die schädlichen Dämpfe landeinwärts.

8. JUNI 2010

Über 240 Kilometer Küste sind verschmutzt. Hunderte Seevögel, Schildkröten, Delfine sind verendet. Und das Biest ist noch immer nicht besiegt. "Wie lange", fragt Paul Horsman, "wollen wir Leben-sräume noch für das Öl opfern?"

31. MAI 2010

Die Menschen an der Küste sind verzweifelt, vor allem die Fischer: Wie sollen sie jetzt Geld verdienen, ihre Familien ernähren? Umweltschützer versuchen, sie zu beruhigen.

Sie wissen aus Erfahrung, dass die Natur erstaunliche Selbstreinigungskräfte besitzt. Öl ist für manche Bakterien nämlich ideales Futter. Wenn die Bedingungen gut sind, können sie in vier Wochen einen Ölteppich um ein Drittel verkleinern.

Doch niemand weiß, ob sie auch die Ölfahnen unter dem Meeresspiegel vertilgen. "Daumen drücken", sagt Paul Horsman. "Beten", sagen viele Fischer vor Ort.

30. MAI 2010

Auch "Top Kill" ist gescheitert. Und die Experten stellen fest, dass das Bohrloch bis zu viermal mehr Öl ausspuckt als angenommen. Sprich: über drei Millionen Liter, mehr als ein Olympiaschwimmbecken fasst.

26. MAI 2010

Unzählige Tiere sind bereits verendet. Darunter auch zahlreiche Fische
Unzählige Tiere sind bereits verendet. Darunter auch zahlreiche Fische
© Bettmann/CORBIS

In den vergangenen Wochen hat BP versucht, eine Stahlglocke über das Leck zu stülpen, und erwägt, es mit einem Gemisch aus Gummi, Golfbällen und anderem Müll zu stopfen. Ohne Erfolg. Heute wollen die Experten schweren Bohrschlamm, später Zement in das Loch schießen. "Top Kill", übersetzt: Superschuss, nennen sie die Aktion.

Zwar ist das Verfahren erprobt – aber nicht in dieser Wassertiefe. "Und genau das ist das Drama an dieser Geschichte", findet Horsman. Denn: Seit die Ölvorräte an Land zur Neige gehen, wagen sich die Konzerne immer weiter in die Ozeane vor.

Sie haben irrsinnige Techniken entwickelt, um selbst in 2000 Meter Meerestiefe Öl zu fördern. Da, wo es stockfinster und eiskalt ist und wo auf jedem Quadratzentimeter das Gewicht von zwei großen Männern lastet. Aber: Sie haben keine Notfallpläne, wenn dort unten etwas schiefgeht! Horsman nennt das "ein Glücksspiel mit verdammt hohem Risiko".

15. MAI 2010

Wissenschaftler entdecken weit unter der Meeresoberfläche große Ölfahnen: manche 16 Kilometer lang, fünf Kilometer breit, 100 Meter hoch. Sie entstanden vermutlich durch die Chemikalien, die die US-Küstenwache und BP auf dem Meer versprüht haben.

Sie sollten das Öl "auflösen", damit es absinkt und nicht an die Küsten treibt. Immer mehr Menschen fragen sich: Warum gelingt es BP nicht, die Lecks am Bohrloch zu flicken?

14. MAI 2010

Von wegen! Immer mehr rötlich schimmernde Ölteppiche schieben sich an die Küste. Vor allem ans Flussdelta des Mississippi, eine der artenreichsten Regionen der Welt. Seekühe, Schildkröten, Wale haben hier ihre Heimat.

Auf den grünen Inselchen brüten Braune Pelikane, viele sind nun vom Öl verklebt. Verzweifelt schöpfen Tausende Helfer mit Eimern und Schippen das Öl aus dem Marschland, von morgens bis abends. Wenn sie tags darauf zurückkehren, ist alles wieder verschmiert.

"Öl klebt an den Händen wie Schokoladensirup. Du brauchst ewig, um es abzuwaschen", sagt Paul Horsman, einer der Wissenschaftler vor Ort
"Öl klebt an den Händen wie Schokoladensirup. Du brauchst ewig, um es abzuwaschen", sagt Paul Horsman, einer der Wissenschaftler vor Ort
© Bettmann/CORBIS

30. APRIL 2010

Horsman fliegt nach Louisiana, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Noch sieht er es nichts, aber er kann es schon riechen, das Öl, herb und süß. "Dieser Geruch verstopft dir die Nase", sagt er. Der Ölkonzern BP, dem die Ölquelle gehört, behauptet, der Unfall sei überschaubar.

28. APRIL 2010

Das stimmt nicht: Aus drei Stellen am Bohrloch strömt Öl ins Wasser – nach ersten Schätzungen mindestens 800 000 Liter täglich. Und niemand weiß, wann die Quelle versiegt. Die Küstenwache beginnt, kleinere Ölteppiche abzufackeln oder mit Spezialschiffen einzusaugen.

22. APRIL 2010

Experten versuchen, den brennenden Ölteppich zu löschen
Experten versuchen, den brennenden Ölteppich zu löschen
© Bettmann/CORBIS

Nach einer weiteren Explosion am Morgen versinkt die Bohrinsel im Meer. Paul Horsman sieht die Fernsehbilder davon in seinem Londoner Büro. Der Meeresbiologe arbeitet bei der Umweltschutzorganisation Greenpeace, er ist Experte für Ölkatastrophen. Viele große Unglücke hat er mit eigenen Augen gesehen. Noch hofft er, dass der Unfall glimpflich abläuft. Es heißt, es fließe kein Öl ins Meer.

20. APRIL 2010

Auf der Bohrinsel "Deepwater Horizon", rund 80 Kilometer vor der Küste des US-Bundesstaates Louisiana, gibt es zwei Explosionen. Gas und Öl schießen empor und entzünden die Anlage wie ein Tischfeuerwerk. Elf Menschen sterben.

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