Aus der Höhle hoch oben im Baum ist ein leises Knacken zu hören. Im Inneren bewegt sich ein leicht glänzendes Ei. Dann der erste dünne Riss – mit Hilfe seines Eizahns versucht ein Waldkauzküken sich mit aller Mühe zu befreien. Nach dreißig langen Tagen im Ei ist es endlich soweit. Die Schale bricht und der gerade einmal 28 Gramm leichte Vogel gelangt in die Freiheit. Im Abstand von zwei bis vier Tagen schlüpfen bald in der Reihenfolge der Eiablage seine Geschwister.
Noch ist der Nachwuchs nackt und blind. Erst nach zehn Tagen öffnet er seine Augen. Die Waldkauzeltern kümmern sich gemeinsam um die Kleinen. Während die Mutter bei den Küken im Nest bleibt und sie wärmt, geht der Vater auf Beutejagd und legt das Futter rund um die Nestmulde ab. Dabei muss er sich ganz schön anstrengen, um die Schnäbel der hungrigen Käuze zu füllen.
Schon nach kurzer Zeit wächst den kleinen Eulen ein dichtes graues Daunenkleid. Sechs Wochen später setzt bereits die erste Mauser ein. Doch erst fünf Monate später bekommen die jungen Käuze das gleiche Federkleid wie ihre Eltern. Die typische Rindenfärbung des Gefieders bietet dann eine ideale Tarnung in den Wäldern.

Noch kuscheln sich die wuscheligen Waldkäuze aneinander. Aber schon bald ist es an der Zeit, die Obhut des vertrauten Nestes zu verlassen. Mit einem kleinen Trick locken die Eltern ihre Kleinen zum ersten Mal aus der schützenden Höhle. Sie legen das Futter vor dem Nest ab und warten, bis der Hunger die Kleinen überzeugt, einen Blick in den fremden Wald zu werfen. Zu Beginn noch ängstlich, macht bald das mutigste Junge den Anfang und wagt sich aus der Mulde.
Fall in die Tiefe
Und das ist bisweilen ein nicht ganz ungefährliches Unterfangen – die neugeborenen Waldkäuze können nämlich noch gar nicht fliegen. So hat so manche Eule einen ganz schön harten Start ins Leben. Aus den Baumwipfeln fällt sie beim Versuch, ihrer Familie zu folgen, in die Tiefe. Noch ganz benommen von dem Schock, läuft sie schnell zum nächsten Baum, um sich an ihm mit ihrem starken Schnabel festzukrallen und wieder hinaufzuklettern. Manchmal ist das Kleine dafür aber noch nicht kräftig genug. Dann ruht es sich auf einem sicheren Ast von den Anstrengungen aus. Es dauert nicht lange, bis die sogenannten Ästlinge von ihren Eltern gefunden und umsorgt werden.
Doch schon bald lernen die Eulen zu fliegen. Nach den ersten unsicheren Flugstunden sind sie im dichten Wald bald genauso flink und wendig wie die Großen. Nach zwei Monaten ziehen sie bereits in einem Umkreis von siebzig Metern ihre Bahnen um ihr einstiges Nest. Dabei bleiben sie stets in ihrem Revier, das sie ein Leben lang verteidigen.
Nach der viermonatigen Aufzucht lockert sich die Bindung zwischen Eltern und Kindern allmählich. Denn schon in der kommenden Balzzeit ist der Nachwuchs geschlechtsreif und gründet seine eigene Familie. Im November beginnt die sogenannte Schein- oder Herbstbalz, in der die Paare durch laute Rufe zueinanderfinden. Nachdem die Balz im Dezember etwas abklingt, erreicht sie im März ihren Höhepunkt. Das Singen der Waldkäuze ist im Frühling jeden Abend zu hören.
Die Partner rufen sich im Wechsel, bis sie sich schließlich an einem Ort treffen. Nur langsam kommen sich die Eulen näher. Doch nach anfänglichem Fauchen kraulen sie sich schon bald liebevoll an Kopf- und Halsgefieder. Um das Weibchen von sich zu überzeugen, bietet das Männchen ihm Futter und sucht dann nach einem geeigneten Nistplatz. Baumhöhlen, Felsnischen oder alte Krähen- und Greifvogelnester bieten die bevorzugte Wiege für den geplanten Nachwuchs. Flügelschlagend ruft das Männchen nach seiner Partnerin, mit der er sein ganzes Leben lang zusammenbleiben wird. Und so brüten die Waldkäuze schon bald auf Eiern, die ebenso glänzen wie die Eier, aus denen sie vor nicht allzu langer Zeit selbst entschlüpft sind.