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Tiere Tierisch klug

Tiere: Wie viel Grips haben eigentlich Affen? Dieser Orang-Utan sieht jedenfalls sehr nachdenklich aus
Wie viel Grips haben eigentlich Affen? Dieser Orang-Utan sieht jedenfalls sehr nachdenklich aus
© Ben Queenborough/Oxford Scientific/Getty Images
Können Delfine sich selber neue Kunststücke ausdenken? Sprechen Vögel zwitschernd miteinander? Mit cleveren Tests versuchen Forscher herauszufinden, wie schlau Tiere sind. Wir stellen euch erstaunliche Erkenntnisse vor

Inhaltsverzeichnis

Spieglein, Spieglein im Gehege

Wer einen Wellensittich als Haustier hat, kann einen Spiegel mit in den Käfig hängen. So glaubt der Vogel, er sei nicht allein, denn er hält sein Spiegelbild für einen Artgenossen. Allerdings ist das schädlich für den Vogel, denn er wird immer wieder versuchen, seinen vermeintlichen Kollegen zu füttern. Durch diese unmögliche Aufgabe kann er ganz krank werden.

Wer nun meint, Wellensittiche seien eben nicht besonders klug, dem sei gesagt, dass auch Menschen nicht von Geburt an wissen, dass das Spiegelbild sie selbst zeigt! Man kann das testen, indem man einem Kleinkind unbemerkt einen Punkt ins Gesicht malt und es dann in den Spiegel blicken lässt.

Ein älteres Kind wird gleich den Fleck sehen und verstehen, dass er im eigenen Gesicht ist. Wahrscheinlich wird es dann den Fleck wegmachen. Aber Kinder, die jünger als etwa zwei Jahre sind, machen das noch nicht. Man nennt das den Spiegeltest und kann damit die Entwicklung von Kindern testen.

Elefanten sind sehr kluge Tiere
Elefanten gelten als sehr klug
© Colourbox

Aber den Spiegeltest kann man nicht nur mit Kindern machen. Er ist auch gut geeignet, um herauszufinden, ob Tiere ganz wörtlich ein Selbst-Bewusstsein haben. Dass Schimpansen sich selbst erkennen, überrascht vielleicht niemanden.

Aber auch Elefanten sind in dieser Hinsicht erstaunlich schlau. Und wie machen Forscher den Spiegeltest mit Elefanten? Natürlich mit einem riesigen Spiegel! Den haben Forscher in New York in das Zoogehege von drei Elefantendamen gestellt und ein paar Tage gewartet, damit die Tiere sich an ihr Spiegelbild gewöhnen konnten.

Dann malten die Menschen ihnen ein weißes Kreuz auf die Stirn. Und tatsächlich: Nach einem Blick in den Spiegel betasteten die Elefanten mit ihren Rüsseln diese Markierung am eigenen Kopf. Sie hatten also verstanden, dass da etwas Ungewöhnliches war und dass es sich an ihrer eigenen Stirn befand.

Saumäßig lernfähig

Schweine reagierten bei einem ähnlichen Test zwar nicht auf solche Markierungen. Vielleicht aber auch nur, weil sie zu häufig Schmutzflecken am Körper haben. Aber sie konnten den Spiegel für einen anderen Trick nutzen. Wissenschaftler hatten einen Futtertrog hinter einer Trennwand aufgestellt, die Schweine konnten das Fressen also nicht direkt sehen.

Wieder gab es aber einen Spiegel im Pferch. Er war so aufgestellt, dass die Schweine damit ums Eck schauen konnten auf die Stelle, wo der Futternapf stand. Manche Schweine suchten hinter dem Spiegel nach dem Fressen. Aber andere lernten schnell, dass der Spiegel das Bild vom Trog um die Ecke lenkte: Sie liefen zielstrebig hinter die Trennwand, wo die Futterbelohnung auf sie wartete. Wer hätte gedacht, dass Schweine so klug sind?

Delfin im Wasser
Ein Delfin im Wasser
© Colourbox

Sogar Delfine können sich im Spiegel selbst erkennen. Immer wieder gibt es Geschichten, die von der Intelligenz dieser Meeressäuger erzählen. Eine davon geht so: Die Zoologin Karen Pryor arbeitete mit zwei Rauzahndelfinen. Sie belohnte die beiden jedes Mal mit einem Fisch, wenn sie ein neues Verhalten zeigten.

Die Tiere brauchten ein paar Tage, bis sie diese Regel verstanden hatten. Übrigens ähnlich lange wie Menschen, wenn man ihnen die Regeln nicht erklärt! Aber dann vollbrachten die Delfine ständig neue Kunststückchen. So viele, bis Karen Pryor das Experiment abbrechen musste, weil sie selbst den Überblick verlor! Wer weiß, wie lange die Kreativität der Delfine noch angehalten hätte...

Gebärdensprache und Zwitschergrammatik

Viele Wissenschaftler halten Menschenaffen für die klügsten Tiere. Lange haben sie darum versucht, ihnen das Sprechen beizubringen. Dass das nicht funktionieren konnte, mussten dann erst einmal die Menschen begreifen: Der Mund der Affen ist einfach anders gebaut, sie können darum beim besten Willen nicht die gleichen Laute formen wie wir. Dann aber hatten Psychologen eine großartige Idee: Sie brachten der jungen Schimpansin Washoe die Gebärdensprache bei, in der auch taubstumme Menschen miteinander kommunizieren.

Roger Fouts heißt der Mann, der für Washoe bald zu einem echten Freund wurde. Er zog sie so auf, wie Eltern ein gehörloses Kind erziehen würden. Und Washoe zeigte den Menschen, dass Affen wirklich denken können. Als sie das Wortzeichen für "Geruch" noch nicht kannte, machte sie stattdessen kurz entschlossen das Zeichen für "Blume". Als sie einen Schwan sah, nannte sie ihn "Wasservogel".

Würden wir nicht das Gleiche machen, wenn wir eine neue Sprache erlernen würden und uns noch niemand das Wort für "Schwan" beigebracht hätte? Als man Washoe fragte, was das im Spiegel sei, antwortete sie: "Ich, Washoe."

Und dann geschah noch etwas: Washoe bekam den Schimpansen Loulis als Adoptivsohn und brachte ihm die Zeichensprache bei. Bald unterhielten sich die Schimpansen untereinander - mit Wortzeichen, die Loulis niemals bei einem Menschen gesehen hatte.

Graupapagei
Graupapagei Alex
© Colourbox

Manche Papageien haben den Affen in dieser Hinsicht etwas voraus: Sie können menschliche Worte aussprechen. Ob sie aber verstehen, was sie da sagen? Das ist schwierig zu beantworten. Der Graupapagei Alex ist auf jeden Fall ein Star.

Seine Trainerin zeigt ihm zwei Holzdreiecke, das eine blau und das andere grün, und fragt: "Was ist gleich, Alex?" Da kräht Alex: "Form!" Sie fragt weiter: "Und wie heißt das Material?", worauf der Papagei antwortet: "Holz!" Zumindest Alex scheint also zu wissen, was er da sagt!

Den meisten Vögeln aber kann man weder menschliche Laute beibringen noch die Zeichensprache. Doch ihr Gesang erscheint uns ähnlich vielseitig wie unsere Sprache. Vielleicht haben also auch Vögel eine ganz eigene Grammatik? Das fragten sich ein paar Forscher und testeten ihre Annahme an Finken.

Die antworten nämlich immer zwitschernd, wenn sie ein unbekanntes Lied hören. Also spielten Wissenschaftler einigen Finken ein neues Lied so lange vor, bis die Tiere nicht mehr darauf antworteten und damit zeigten, dass sie die Melodie inzwischen kannten.

Dann erstellten die Forscher drei verschiedene Versionen von der Aufnahme, indem sie jeweils die Reihenfolge der Liedteile änderten. So entstanden drei neue Musikstücke. Auf zwei von den dreien reagierten die Finken nicht. Als würden sie das Lied schon kennen!

Offenbar war die Nachricht des Liedes für die Vögel gleich geblieben, so wie auch für uns "ich fliege nach Hause" und "nach Hause fliege ich" das gleiche bedeutet. Aber bei einer der drei neuen Versionen zwitscherten die Finken dann doch wieder los. Wie ein Deutschlehrer, der bei einem grammatikalisch falschen Satz seines Schülers loszetert!

Instinkt oder Grips?

Diese Versuche geben uns einen kleinen Einblick in den Verstand von Tieren. Eines ist klar: Die meisten Tierarten kommen prima über die Runden, indem sie sich einzig auf ihre Instinkte verlassen. Ein Chamäleon etwa denkt wahrscheinlich nicht groß nach, bevor es seine Farbe der des Untergrundes anpasst - es tarnt sich einfach instinktiv. Meeresschildkröten, die am Strand aus dem Ei schlüpfen, wissen von ganz alleine, dass sie ins schützende Meer kriechen müssen. Katzenbabys kommen blind zur Welt, finden aber trotzdem sofort die Zitzen der Mutter. Mehrere Millionen Zugvögel fliegen im Herbst nach Süden. Es gibt zahlreiche Beispiele für solche Handlungen aus einem Naturtrieb heraus und es ist faszinierend und schön, all das zu beobachten. Aber inzwischen wissen wir eben auch von einigen Fähigkeiten bei Tieren, die weit über den reinen Trieb hinausgehen. Sie zeigen uns, dass manche doch tierisch viel Grips haben.

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