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Wer war Nofretete?
Wüstensand, so weit das Auge reicht. Hitze, Trockenheit und Staub machen Ludwig Borchardt ganz schön zu schaffen. Er ist Archäologe und extra nach Ägypten gereist, um der geheimnisvollen Stadt in Amarna auf die Spur zu kommen. 80 uralte Häuser waren im Jahr 1912 bereits freigelegt, als Ludwig Borchardt dort nach Fundstücken suchte. Und zwar in der Werkstatt eines Bildhauers, der für den Königshof im Jahre 1300 vor Christus gearbeitet haben könnte.
Denn in dieser Werkstatt wurden viele Kunstwerke hergestellt und auch aufbewahrt - und genau in dieser Werkstatt, über 3 000 Jahre später, hat Ludwig Borchardt einen ganz besonderen Fund gemacht: Er hat die lebensgroße Büste einer Königin entdeckt - der Nofretete, wie sich später herausstellte.
Wer war Nofretete?
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte noch niemals zuvor jemand von Nofretete gehört. Niemand wusste, dass die sagenumwobene Königin, die heute so bekannt ist, überhaupt gelebt hat. Erst als Ludwig Borchardt in der Ausgrabungsstätte in Amarna die berühmte Büste gefunden hat, haben die Forscher versucht, die Geschichte dieser wunderschönen Frau zu erforschen. Deshalb haben sie weiter im Wüstensand gebuddelt und immer mehr Ausgrabungsfunde gemacht.
Die Ruinen der Tempel und Paläste sind teilweise heute noch immer zu sehen. Und darin haben sie nicht nur die Büste gefunden: Inschriften und Malereien zeigen Nofretete zusammen mit ihrem Mann Echnaton, dem Herrscher über Achet-Aton. So nämlich hieß die Stadt, die auf dem heutigen Gebiet von Amarna liegt. Das alles wissen die Archäologen aus den gefundenen Bildern, aus denen sie die Geschichte der Nofretete herleiten können.
Nofretete
Nofretete hat nicht schon immer in Achet-Aton gelebt. Sie ist im Jahr 1370 vor Christus in Mitanni, im Gebiet des heutigen Syriens, als Königstochter geboren. Damals hieß sie noch Taduschepa, erst später bekam sie den Namen "Nofretete". Schon als junges Mädchen wird sie nach Ägypten gebracht, weil sie den ägyptischen Pharao Amenophis III. heiraten soll. Doch kurz nach der Hochzeit stirbt der König. Taduschepa vermählt sich deshalb mit dessen Sohn und Nachfolger, Amenophis IV. Ihr Name wird in "Nofretete" umgeändert, was so viel bedeutet wie: "Die Schöne, die da kommt".
Die Erfindung eines neuen Gottes
Nofretete ist höchstens 15 Jahre alt, als ihr Mann Amenophis IV. von Theben aus Ägypten regiert. Amenophis IV. selbst ist bei seiner Thronbesteigung auch nur wenig älter.
Pharaonen im alten Ägypten sind mehr als nur Könige; sie sind Gott und Herrscher in einer Person. Amenophis wird als Repräsentant Gottes auf Erden majestätisch verehrt - nur gibt es auch noch viele andere Götter, die die Ägypter zu diesem Zeitpunkt anbeten. Amenophis will aber allen Respekt für sich allein haben - und schafft kurzerhand alle anderen Götter ab. Dafür schafft er einen neuen Gott: Den Sonnengott Aton. Ein neuer Königskult entsteht.
Nur er und Nofretete stehen zwischen Aton und den gewöhnlichen Menschen - und haben dadurch viel mehr Macht, als wenn es noch mehrere Götter gäbe. Deshalb lässt Amenophis auch alle anderen Götter aus den Inschriften löschen; ihre Namen werden ganz einfach von den Steintafeln gemeißelt und damit für immer entfernt.
Amenophis ändert seinen Namen in Echnaton ("Der dem Aton dient"), aus Nofretete wird Noferneferuaton-Nofretete ("Schön ist die Schönheit des Aton - die Schöne kommt). Auch die Töchter der beiden bekommen Namen, die mit der letzten Silbe auf dem Namen des Sonnengottes endeten: Meretaton, Meketaton und Anchesenpaaton.
Umzug von Theben nach Achet-Aton
Nachdem Echnaton fünf Jahre lang das Land von Theben aus regiert hat, zieht er mit seiner Familie und seinem Volk nach Achet-Aton. Mitten in der Wüste werden prächtige Paläste und Tempel gebaut; innerhalb von kurzer Zeit entsteht eine ganze Stadt, von der aus Echnaton und Nofretete regieren. Mit dem neuen Reich will Echnaton einen Neuanfang starten, denn in Theben gibt es einige Menschen, die nicht an seinen neuen Gott glauben wollen.
"Die Schöne"
Nofretete ist von atemberaubender Schönheit. Echnaton bewundert seine Frau - und sie unterstützt ihn in seiner Religion und seiner Herrschaft. Sie ist die erste Frau, die es in die Position der Königin und Göttin geschafft hat.
"Die Schöne, die da kommt" wird nicht nur von ihrem Ehemann bewundert. Auch das Volk zollt ihr großen Respekt. Sie ist stolz, selbstbewusst und schön - und ihre Schönheit ist ihr wichtig. Dafür unternimmt sie auch sehr viel. Ein ganz normaler Tag in ihrem Leben war also von der Körperpflege, von Bädern, Salben und Schminken bestimmt.
Nofretete trägt auch immer die neueste Kopfpracht. Entweder gewaltige Kronen oder schwere, meist schwarze, Perücken. Darunter hat Nofretete nicht etwa eine lange Haarpracht, so wie man es erwartet. Ganz im Gegenteil: Ihr Kopf ist kahl geschoren; sie hat eine Glatze. Grund dafür sind die schweren Kopfmoden, das heiße Wetter und womöglich auch Ungeziefer wie Läuse. Da ist es einfach praktischer, keine Haare zu haben.
Was ist aus Nofretete geworden?
Nofretete regiert zusammen mit ihrem Mann 17 Jahre lang in Achet-Aton. Dann stirbt Echnaton - und Nofretete übernimmt seine Herrschaft.
So könnte es gewesen sein. Vielleicht war es aber auch ganz anders - denn niemand weiß heute genau, was aus der schönen Königin geworden ist. Nach 12 Jahren Herrschaft verliert sich ihre Spur. Vielleicht ist sie auch vor ihrem Mann gestorben? Möglicherweise ist sie bei ihm in Ungnade gefallen und wurde verstoßen? Oder sie wurde von Echnatons Geliebter, Kija, auf dem Thron abgelöst.
Dass die Herrscher im alten Ägypten mehrere Frauen hatten, war zu dieser Zeit keine Seltenheit. Echnaton hatte schon während der vergangenen Jahre einen ganzen Harem an Nebenfrauen - doch Nofretete war ihm die liebste. Bis Kija kam. Nofretetes Mumie wurde niemals gefunden. Noch heute suchen die Archäologen nach ihr - vergeblich.
Die Büste der Nofretete, die Ludwig Borchardt 1912 aufgespürt hat, ist heute weltberühmt. Viele Menschen werden noch immer von der Schönheit der Nofretete und ihrer sagenumwobenen Geschichte in den Bann gezogen - und pilgern zum Ägyptischen Museum in Berlin, denn dort können Besucher die über 3 000 Jahre alte Büste der schönen Königin bestaunen.