Mit einem Ruck schießt die Stahlraupe nach vorn, beschleunigt in knapp vier Sekunden auf 206 Stundenkilometer, rast senkrecht die Schienenstraße empor und - bleibt auf dem höchsten Punkt stehen. 139 Meter über dem Erdboden. Weltrekord: Wir befinden uns in der höchsten und schnellsten Achterbahn der Welt!
Kurz durchatmen. Und dann: hinabstürzen, dass der Hintern hochfliegt und das Herz für einen Schlag aussetzt! Schon erklimmt die Raupe die nächste Kuppe. Endlich, nach 50 scheinbar endlosen Sekunden, quietschen die Räder, und "Kingda Ka" fährt wieder in ihren Bahnhof in Jackson im US-Bundesstaat New Jersey ein.

Her mit dem Nervenkitzel!
Wird euch schon bei der Vorstellung flau im Magen? Das freut Andreas Wild. Nicht, weil er den Menschen Schlechtes wünscht. Im Gegenteil! Er und seine Münchner Kollegen haben "Kingda Ka" konstruiert und auf mehr als 50 000 Seiten Papier jeden Streckenzentimeter berechnet. So wollten sie unter anderem sicherstellen, dass sich an keiner Stelle ein Passagier verletzt!
Trotzdem legten die Ingenieure alles darauf an, dass die Bahn gefährlich wirkt. Sie planten die Warteschlangen so, dass jeder Fahrgast etwa eine Viertelstunde lang anstehen muss! Zeit genug, um auf das wacklig wirkende Stahlgerüst zu schauen, um die Schreie der Fahrenden zu hören.
Und dann doch einzusteigen. "Wer beim Achterbahnfahren keinen Nervenkitzel verspürt, hat doch nur halb so viel Spaß. Und kann später nicht mit seinem Mut prahlen."
Die Menschen, erklärt Andreas Wild weiter, lieben dieses Spiel mit der Angst. Und das schon seit mehr als 400 Jahren.
Warum glauben wir zu fliegen?
In jedem Moment wirkt auf unseren Körper die Erdanziehungskraft - gäbe es sie nicht, würden wir schweben wie Astronauten. Beim Achterbahnfahren wirken zudem sogenannte Fliehkräfte auf die Passagiere ein, die durch die Beschleunigung der Wagen bei den Auf- und Abfahrten entstehen: Rauschen wir eine Abfahrt hinab, ziehen uns zusätzlich zur Erdanziehungskraft (F1) auch noch Fliehkräfte (F2) nach unten. Dadurch haben Passagiere im "Tal" das Gefühl, schwerer als normal zu sein und wie Bleiklumpen in den Sitzen zu kleben. Geht es bergauf, wirken die Fliehkräfte hingegen nach oben. Auf dem "Gipfel" sind sie sogar größer als die Erdanziehungskraft! Der Effekt: Wir werden für einen kurzen Moment gen Himmel gezogen und haben das Gefühl zu schweben.
Der erste Looping
Die ersten "Achterbahnen" wurden schon im 16. Jahrhundert im russischen Zarenreich gebaut - als eine Art Wintervergnügen: Auf Marktplätzen errichteten die Russen knapp 25 Meter hohe Holzkonstruktionen, übergossen diese mit Wasser und ließen sie über Nacht zu Rodelbahnen gefrieren. Was für ein Spaß!
Die französischen Soldaten Napoleons, die 1812 Russland erobern wollten, waren von den "Russischen Bergen" so begeistert, dass sie die Bahnen in ihrer Heimat nachbauten. Weil die Winter in Frankreich aber selten lange andauern, verpassten sie den Schlitten schließlich Räder. So mussten die Franzosen im Sommer nicht auf die rasanten Fahrten verzichten.
Ein Bombenerfolg, der ganz Europa ins Rutschen brachte: Überall entstanden Holzbahnen mit immer mehr Kurven, Schleifen, Spiralen und - 1846 - mit dem ersten Looping. Einen kurzen Moment lang konnten die Menschen, die durch diese Pariser Bahn rauschten, die Welt auf dem Kopf betrachten.
Die Bremse funktioniert auch ohne Strom
Je länger und ausgeklügelter die Bahnen wurden, desto höher musste allerdings die erste Rampe sein! Die Wagen wurden mit Motorenkraft an einer Kette dort hinaufgezogen, dann ging es abwärts. Allein der Schwung dieser Abfahrt trieb die Stahlraupe über die gesamte Strecke - ein weiterer Motor war nicht nötig.
Im Grunde funktionieren Achterbahnen bis heute immer noch so, nur dass die Wagen mit einem Katapult, das ähnlich wie eine Steinschleuder funktioniert, oder mit Magnetkraft den ersten Hügel hinaufgeschossen werden. Auch normale Bremsen haben die Ingenieure im Laufe der Jahre gegen Magnetbremsen ausgetauscht: Die halten die Wagen bei der Einfahrt in den Bahnhof an. Das sei sehr sicher, sagt Andreas Wild. "Selbst bei einem Stromausfall werden die Wagen gestoppt!"
Tempo ist nicht alles
Unfälle sind nicht zuletzt dank der ausgefeilten Technik der Achterbahnen äußerst selten! Ingenieure wie Wild quälen ganz andere Fragen: Wie können sie Achterbahnfans in Zukunft überraschen? Es gibt mehr als 1500 Bahnen auf der Welt, eine verrückter als die andere. In manchen rasen die Stahlraupen über Hausdächer hinweg! In der Abismo-Bahn nahe Madrid baumeln die Fahrgäste bereits kopfüber in ihren Sitzen, bevor sie Richtung Erde stürzen! Und schon bald wird es wohl eine noch schnellere Bahn geben als "Kingda Ka".
Dabei macht Tempo allein noch lange keine gute Achterbahn aus. Der Mensch hat nämlich kein Sinnesorgan für Geschwindigkeit; er spürt sie erst durch Tempo- und Richtungswechsel. Wild und seine Kollegen denken darum unter anderem über Bahnen nach, bei der die Sitze in einer Kugel hängen, die sich während der Fahrt ständig dreht. Bestimmt hüpft euer Magen schon beim Gedanken daran?...
Einsteigen! Achterbahnen in Deutschland
Im Hansa-Park (1) in Sierksdorf steht eine der ältesten Loopingbahnen Deutschlands. Bei jeder Fahrt habt ihr einen traumhaften Blick auf die Ostsee. www.hansapark.de. Der Heide-Park Soltau (2) in der Lüneburger Heide ist ein absolutes Muss für Achterbahnfans: Hier könnt ihr "Colossos" testen, eine der größten Holz-Achterbahnen der Welt. Im Mai soll zudem "Desert Race" öffnen, eine Bahn ähnlich "Kingda Ka". www.heide-park.de. Im Holiday Park (3) in Haßloch/Pfalz erwartet euch "Expedition GeForce"; aus mehr als 70 Meter Höhe donnert die Bahn in den Abgrund. www.holidaypark.de. Hauptattraktionen des Europa-Parks (4) in Rust sind die größte Achterbahn Europas sowie eine Indoor-Achterbahn, die sich durch eine Kuppel schlängelt! www.europapark.de. Im Phantasialand (5) in Brühl könnt ihr in der weltgrößten Hänge-Achterbahn gleiten. www.phantasialand.de. Der Skyline-Park (6) im bayerischen Bad Wörishofen ist für "Skywheel" bekannt, die Achterbahn mit der höchsten Überkopf-Fahrt der Welt! www.skylinepark.de