
Im Schlaflabor
Marilen sitzt aufgeregt auf dem weißen Bett im Kinder-Schlaflabor. Die 8-Jährige wird die ganze Nacht in dem rosa gestrichenen Zimmer des Krankenhauses Elim in Hamburg verbringen – angeschlossen an viele Kabel, die ihren Schlaf überwachen. Zur Unterstützung sind ihre Mutter und Stoffhase Hotte dabei.
Unruhiger Schlaf: Blut- und Allergietests helfen nicht immer
"Die meisten, die zu uns kommen, schlafen unruhig, schnarchen und fühlen sich tagsüber schlapp und unausgeschlafen", berichtet Hilmar Uhlig. Bei Marilen ist das ähnlich: "Es hört sich an, als würde sie die Luft durch einen Strohhalm einziehen. Um besser atmen zu können, überstreckt sie den Kopf nach hinten", erzählt Marilens Mutter Ilka Krause.

"Morgens hat sie Nackenschmerzen und fühlt sich, als hätte sie nur zwei Stunden geschlafen." Manchmal ist sie sogar so müde, dass sie in der Schule Probleme hat, sich zu konzentrieren.
"Bei Blutuntersuchungen und Allergietests ist nichts herausgekommen", erzählt Ilka Krause. Nachdem auch mehrere homöopathische Behandlungen nichts brachten, verwies die Kinderärztin Marilen an Dr. Uhlig.
Trotz der Aufregung muss sie immer wieder stillhalten: Damit der Computer aufzeichnen kann, ob sie im Schlaf regelmäßig atmet, bekommt sie allein am Kopf elf Sensoren aufgeklebt.
Drei weitere befestigt Marieke Schultz auf der Brust, damit der Herzschlag aufgenommen werden kann. Die Lehramts-Studentin ist schon einige Jahre für das Verkabeln der Kinder zuständig, die eine Nacht im Schlaflabor verbringen. Zum Schluss klebt sie Marilen noch den Flow-Sensor unter die Nase, der ihren Atem misst.
Marilen tastet die einzelnen Sensoren in ihrem Gesicht ab. "Fühlt sich an wie Windpockenpflaster", stellt sie fest. Nach ein paar Minuten hat sich die Haut an die kleinen Pflaster gewöhnt, so dass Marilen sie gar nicht mehr spürt.
Ungewollte Atempausen im Schlaf
Neben seiner Kinderarztpraxis betreut Hilmar Uhlig die Station für Früh- und Neugeborene im Krankenhaus Elim. "Das Schlaflabor mache ich aus Langeweile nebenher", sagt der 47-Jährige mit einem Augenzwinkern.
"Etwa drei Prozent der Kinder hat Schlafstörungen, die behandelt werden sollten", erklärt der Kinderarzt. Die häufigste Ursache dafür sind große Mandeln.

"Im Schlaf entspannt sich die Muskulatur im Rachen. Dabei fällt sie etwas in sich zusammen. Sind die Mandeln zu groß, versperren sie die Luftröhre – und man schnarcht", weiß Hilmar Uhlig über einen Großteil seiner Patienten. Setzt dabei auch der Atem aus, sprechen Mediziner von einer obstruktiven Apnoe, also von einer "verstopfenden" Atempause.
"Dauert sie länger als drei Sekunden, ist das auffällig", erklärt Uhlig. In einem solchen Fall gelangt nicht mehr genügend Sauerstoff in den Blutkreislauf. Der Körper merkt das aber und weckt sich selbst. Zumindest so, dass der Atem wieder einsetzt. Erinnern können sich die meisten aber am nächsten Morgen nicht daran.
Das klingt, als wäre das alles nicht so schlimm – der Körper hilft sich ja selbst aus der Patsche! Aber ganz so einfach ist es leider nicht. Marilen erfährt das am eigenen Leib: Je öfter ihr Körper sie aus dem Tiefschlaf reißen muss, umso unausgeschlafener ist sie am nächsten Morgen.
"Einzelne Kinder haben Atempausen von bis zu 60 Sekunden. Im Extremfall kann das zu Herzschäden führen", weiß Hilmar Uhlig.
Bis vor einigen Jahren hat man in solchen Fällen die Mandeln ganz entfernt. Diese Operation verspricht zwar viel Eis, um die Wunde im Hals zu betäuben, bedeutet aber auch eine ganze Woche im Krankenhaus.
"Wenn die Mandeln gesund sind, ist es deutlich angenehmer, sie kleiner zu lasern", erklärt Uhlig. Mit einem Laser schneiden die Chirurgen nur einen Teil der Mandeln ab, so dass sie die Atemwege nicht mehr versperren. "Nach ein paar Stunden darf der Patient schon wieder nach Hause."

Ein Schlaf mit unruhiger Nacht
Um herauszufinden, ob das auch Marilen helfen könnte, verbringt sie die Nacht im Schlaflabor. Besonders angenehm ist die aber nicht:
Als sie am nächsten Morgen aufwacht, ist sie noch ein bisschen müder als sonst. "Das Nasenstück ist verrutscht und die Kabel haben schon gestört." Die vielen Sensoren wieder von der Haut abzulösen, war ziemlich mühsam. "Das hat länger gedauert, als sie anzukleben", erinnert sich ihre Mutter. "Zu Hause hat Marilen noch einmal fast drei Stunden geschlafen."

Hilmar Uhlig wertet am Computer alle Regungen von Marilen aus: Herzschlag, Atem, und Hirnströme, aber auch die Körperlage. "Wenn ich anhand dieses Schlafprofils etwas nicht verstehe, schaue ich auch mal in das Infrarot-Video."
Bei Marilen war das aber nicht nötig – der Befund zeigt keine Auffälligkeiten. "Wirklich mehr als vorher wissen wir also leider nicht", sagt Ilka Krause. Da Marilen bereits seit drei Jahren schlecht schläft, denken die Krauses trotzdem darüber nach, Marilens Mandeln verkleinern zu lassen. "Die Beschwerden sind ja trotzdem da."
Die Nacht im Schlaflabor bleibt Marilen sicher noch eine Weile in Erinnerung – vor allem das Ankleben der Sensoren war spannend für sie. Für ihre Geduld hat sie von Marieke Schultz ein dickes Lob erhalten: "Das hast du wirklich toll gemacht!" Marilen gibt das Kompliment strahlend zurück: "Du auch!"