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Ein Sommer im Golf von Mexiko ist eigentlich eine heiße Sache: Die Luft brodelt träge vor sich hin, und die Menschen schwimmen im Meer, das warm ist wie in der Badewanne. Oft zeigt das Thermometer 30 Grad oder mehr. Nur Jack Beven fängt bei solchen Temperaturen an zu frösteln. Angespannt sitzt der Amerikaner im Büro auf einem Drehstuhl und starrt auf seinen Computer- Bildschirm. Dort ist ein riesiges flauschiges Gebilde zu sehen. Es hat einen Durchmesser von 800 Kilometern und dreht sich wie ein Kreisel. "Mist!", sagt Beven und wischt sich einen Schweißtropfen von der Stirn. "Der Wirbelsturm ist noch schneller geworden!"

Hurricanvorhersagen retten oft Menschenleben
Wirbelstürme sind Jack Bevens Beruf. Der Wissenschaftler arbeitet im Nationalen Hurrikan-Zentrum der USA in Miami und überwacht jeden großen Wolkenwirbel, der den USA nahe kommen könnte. Ständig schicken Satelliten und Messstationen die neuesten Daten auf seinen Computer: Wo sich Stürme gebildet haben. Wie schnell sie sich bewegen. Und mit welcher Geschwindigkeit sie im Kreis wirbeln. Jack und seine Kollegen sollen daraus abschätzen, ob ein Unwetter für die Küstenbewohner gefährlich werden kann. Dann geben sie eine Sturmwarnung an die Bevölkerung heraus.

In tropischen Ländern retten solche Vorhersagen oft Menschenleben. Immer wieder werden dieBewohner dort von Hurrikanen bedroht – so nennt man in Amerika die stärksten Stürme, die sich mit mehr als 118 km/h drehen Im vergangenen Jahr fegten sage und schreibe 15 dieser Ungeheuer über den Atlantik Richtung Amerika, und wo sie entlangrasten, blieb kaum ein Stein auf dem anderen: In Mississippi und Florida wurden Autos wie Spielzeuge durch über die Straßen geschoben. In Louisiana spülten Riesenwellen Schiffe an Land. Und Hausdächer flogen davon wie Blätter! Am schlimmsten traf es die Hafenstadt New Orleans. Dort presste der Hurrikan "Katrina" das Meer so stark gegen die Deiche, dass diese barsten. Ganze Stadtviertel versanken metertief im Wasser, mehr als 1000 Menschen starben. Doch auch anderswo gibt es die Turbo-Wirbelwinde. In Ostasien heißen sie Taifune, in Australien oder Indien Zyklone.
Wie aber entstehen die Wirbel?
Um einen Hurrikan in Gang zu setzen, sind vor allem zwei Dinge nötig: Hitze und Feuchtigkeit – deshalb entwickeln sie sich nur im Sommer über den Meeren der Tropen. An feuchtheißen Stellen dehnt sich die Luft dort aus und steigt nach oben. Fast wie in einem Kamin. Über dem Meer entsteht dadurch ein Unterdruck. Wetterforscher nennen das ein "Tief". In dieses Tief fließt nun Luft aus allen Richtungen nach. Dabei werden die Winde durch die Erddrehung abgelenkt: Sie strömen nicht direkt in das Zentrum, sondern umkreisen es und schießen auf einer Spiralbahn nach oben. In der Höhe kühlt sich die feuchte Meeresluft ab. Die Wasserteilchen in der Luft verbinden sich zu Tropfen, die als sintflutartiger Regen zu Boden fallen. Durch diesen Vorgang, die "Kondensation", erwärmt sich die Luft wieder. Sie steigt noch stärker auf und zieht weitere Luft von unten mit. Nun beginnt alles von vorn. Mit jedem Durchgang kann der Sturm an Kraft gewinnen. Manche der Monster beschleunigen auf 300 km/h und wachsen auf 2000 Kilometer Durchmesser an!
Die Stürme sind unberechenbar
Die Forscher in Miami reden deshalb sehr respektvoll über die Hurrikane. Fast wie über Menschen. "Jeder Sturm hat einen eigenen Charakter", sagt Jack Beven, "sie machen nie das, was man denkt." Tatsächlich gibt es kaum eine kniffligere Aufgabe, als die Entwicklung eines Hurrikans vorherzusagen. Manche verlieren in wenigen Stunden ihre Kraft, wenn sie auf kaltes Wasser treffen. Andere, die erst harmlos erscheinen, pumpen sich über einer warmen Meeresströmung auf und rasen wie wilde Hornissen auf das Land zu. Auch Beven hat sich im vergangenen Jahr bei dem Hurrikan "Katrina" verschätzt. Das Unwetter traf an einer ganz anderen Stelle auf die Küste, als er zunächst vorausgesagt hatte. Die überraschten Bewohner schimpften auf ihn wie die Rohrspatzen.

Mit Hightech gegen die Naturgewalt
Um die Vorhersage zu verbessern, versuchen die Experten, ihre Computer mit mehr Informationen über den Sturm zu füttern: So misst heute ein Netz von Bojen die Wassertemperaturen auf dem Meer. Mit Flugzeugen wagen sich Piloten in den Hurrikan hinein. Manchmal werfen sie auch Sonden ab, die durch den Sturm fallen und den Luftdruck und die Windgeschwindigkeit im Inneren des Wirbelsturms messen. Die Daten werden an das Flugzeug und von dort nach Miami gefunkt. Jack Beven haben sie gute Nachrichten gebracht. Der Sturm, der in den letzten Tagen auf das Festland zuraste, hat abgedreht und sich aufgelöst. Die Gefahr ist vorüber. Wenigstens für ein paar Tage. Bis der nächste Hurrikan auftaucht.