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Räuber im Blumentopf

Sie gehen auf Jagd, ohne sich einen Millimeter von der Stelle zu bewegen und verspeisen ihren Fang, obwohl sie weder Maul noch Magen haben: die fleischfressenden Pflanzen. GEOlino stellt euch das "gefährliche" Grünzeug vor

Inhaltsverzeichnis

Todesurteil für neugierige Besucher

Unwiderstehlich! Einfach unwiderstehlich, scheint der kleine Käfer zu denken, als er zielstrebig auf dem Rand einer grün-gelben Pflanze landet. Schon von weitem hat er gerochen, dass es hier süßen Nektar in Hülle und Fülle gibt. Aufgeregt krabbelt der Käfer hin und her. Und im Inneren dieser Pflanze scheint es sogar noch mehr von dem köstlichen Saft zu geben. Mit ausgestrecktem Saugrüssel klettert er hinein. Unwidersteh... uuuhps!

Todesurteil für neugierige Beute

Venusfliegenfallen quetschen ihre Beute zwischen gezackten Fangblättern ein
Venusfliegenfallen quetschen ihre Beute zwischen gezackten Fangblättern ein
© Sean Morris/OSF

Plötzlich finden die Käfer-Füßchen keinen Halt mehr; wie auf einer Rutschbahn schlittert der Sechsbeiner in die Tiefe - so schnell, dass er nicht mal mehr wegfliegen kann. Unten angekommen, fällt er - platsch! - in eine tiefe Pfütze. Eine Zeitlang paddelt er noch verzweifelt umher, doch schon bald schwinden seine Kräfte... Tja, der Brummer hat sein Festmahl nicht überlebt - er ist einer fleischfressenden Pflanze in die Falle gegangen. Genauer gesagt: einer Kannenpflanze. Die wächst in tropischen Regenwäldern, und ihre Fangblätter sehen aus wie Kaffeekannen mit hochgeklapptem Deckel. Wenn sich ein kleiner Besucher in sie hineinwagt, ist das sein Todesurteil.

Verdauungssäfte zersetzen die Beute

Die Wände sind nämlich mit Wachs beschichtet und deshalb unglaublich glatt; das Insekt rutscht ab und plumpst in eine saure Flüssigkeit. Dort ertrinkt es und wird langsam aufgelöst - die Kannenpflanze verdaut so ihre Beute. Eigentlich geschieht dabei das gleiche wie bei euch, nachdem ihr ein Schnitzel gegessen habt: Das Fleisch wird von Verdauungssäften zersetzt, und die verschiedenen Nährstoffe werden herausgelöst.

Forscher kennen bislang mehr als 500 Arten des fleischfressenden Grünzeugs - von den riesigen Kannenpflanzen, die bis zu fünf Liter Flüssigkeit fassen und die sogar Ratten verdrücken können, bis zum winzigen Sonnentau, der nur Mini-Insekten "auflauert".

Krabbler-Kost braucht die Pflanze zum Überleben

Hört sich gruselig an, oder? Allerdings ernährt sich das gefräßige Gemüse nicht ausschließlich von Lebendfutter: Fleischfressende Pflanzen haben auch normale Blätter, mit denen sie Sonnenenergie tanken; und ihre Wurzeln holen Wasser und Nährstoffe wie zum Beispiel Stickstoff aus der Erde. Allerdings wachsen sie meist in Gegenden, wo die Böden sehr karg sind. Und um nicht zu verhungern, gibt es eben - Krabbler-Kost. Und die wird mit ziemlich fiesen Tricks zur Strecke gebracht...

Sonnentau auf der Jagd

"Sonnentauziehen": Die zwei hungrigen Pflanzen müssen sich eine Florfliege teilen, denn keine von beiden kann loslassen
"Sonnentauziehen": Die zwei hungrigen Pflanzen müssen sich eine Florfliege teilen, denn keine von beiden kann loslassen
© Marie Perénnou & Claude Nuridsany

In Deutschland etwa könnt ihr in manchen Mooren den Rundblättrigen Sonnentau finden. Er wird nur wenige Zentimeter groß. Auf seinen Blättern stehen viele kleine Fangarme, an deren Spitze ein dicker Tropfen Klebeschleim glänzt. Kommt nun eine Fliege dahergeflogen, hält sie den Glibber für süßen Nektar; den Irrtum bemerkt sie erst, wenn sie an einem der Tentakel hängen geblieben ist. Wütend schlägt sie mit den Flügeln - und macht dadurch alles noch schlimmer.

Denn nun beginnen die umliegenden Fangarme, sich in ihre Richtung zu recken! Nach und nach wird das Tier von den ekligen Schleimtropfen bedeckt. Schließlich rollt sich das ganze Blatt langsam über der Beute zusammen und faltet sich erst wieder auseinander, wenn die Fliege aufgelöst ist.

Blitzschnell schnappt die Venusfliegenfalle zu

Ganz anders macht es die Venusfliegenfalle. Ihre Blätter sehen aus wie gierige Monstermäuler mit rotem Schlund und langen spitzen "Zähnen". Wenn sich hier ein ahnungsloses Insekt niederlässt, schnappt das "Maul" zu - in weniger als einer Sekunde.

Nur: Wie hat die Venusfliegenfalle gemerkt, dass sich ein Tier auf ihr niedergelassen hat? Ganz einfach: Auf ihren Fangblättern gibt es winzige Borsten. Wenn ein Insekt auf diesen Härchen herumtrampelt, löst es die Falle aus: Dann pumpen Zellen auf der Innenseite des Blattes blitzschnell Wasser in die außen liegenden Zellen - die schwellen an und quetschen den "Rachen" zusammen. Anschließend verwandelt sich das Maul in einen Magen: Aus Drüsen spritzt ein Verdauungssaft; von dem Insekt bleibt nur noch ein Häufchen Panzer übrig.

Lange Zeit glaubten die Forscher, dass das Zuschnappen der Venusfliegenfalle die schnellste Bewegung im Pflanzenreich sei. Aber einer ist noch flotter: der Wasserschlauch mit seiner "Schluckfalle". Diese Pflanze lauert in Teichen oder Tümpeln auf ihre Beute. Sie hat kleine Fangblasen, die ein bis zwei Millimeter groß werden und an einem Ende eine winzige Klappe haben.

Wenn nun etwa ein Mini-Krebs nah genug vorbeirudert, schnellt diese Klappe blitzartig nach innen; ein Schlückchen Wasser wird, schlürf, in die Blase gesogen - und mit ihm das Krebslein. All das geschieht in einer Hundertstelsekunde: der Schnelligkeits-Rekord in der Pflanzenwelt! Anschließend braucht der Wasserschlauch allerdings bis zu zwei Stunden, um sein Opfer in der Blase zu verdauen.

Gefährliches Grünzeug für zu Hause

Wer will, kann sich so einen "Schluckspecht" zu Hause in einem Aquarium halten. Es gibt mittlerweile viele Gartengeschäfte, in denen ihr die kleinen Räuber im Blumentopf kaufen könnt - von der Venusfliegenfalle bis zum Sonnentau. Und keine Angst: Selbst bei akutem Fliegenmangel schnappen die Pflanzen nicht plötzlich nach eurem Finger. Ein Schlückchen Spezialdünger reicht ihnen völlig.

GEO Nr. 05/97

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