Achtung! Indianer!
Allein der Ruf lässt einem das Blut in den Adern gefrieren. Die Postkutsche, das scheint klar, ist verloren: Von allen Seiten preschen die Angreifer heran. Ohrenbetäubendes Geheul schallt durch die Luft. Pfeile fliegen. Ja, manche der wilden Gestalten stürzen sich sogar mit gezücktem Messer auf die Verteidiger! Werden sie den Kutscher und seine Begleiter massakrieren oder sogar skalpieren?
Doch halt! Nun wehren sich die tapferen Cowboys. Mit Gewehren eröffnen sie ihrerseits das Feuer. Einige Minuten wogt der Kampf hin und her – als plötzlich eine elegant gekleidete Figur mit langen Haaren und Spitzbart in die Mitte tritt und die Schießerei entscheidet. Ohne jede Angst nimmt er die Indianer unter Beschuss. Einer nach dem anderen sinkt schreiend zu Boden, bis der Rest die Flucht ergreift!
Büffel lassen den Boden erzittern
"Bravo!" Als die Schmerzensschreie ersterben, brandet lauter Applaus auf. Die 5000 Zuschauer in der Arena klatschen begeistert. Denn der Überfall ist kein blutiger Ernst – sondern Teil einer Show, die im Mai 1891 in Dortmund stattfindet. Über Stunden hinweg bekommen die Besucher den Wilden Westen vorgeführt.
Stampfen mächtige Büffel über den Sand, dass der Boden zittert. Reiten Cowboys um die Wette. Verblüffen Meisterschützen wie die hübsche Annie Oakley mit haarsträubenden Kunststücken: Sogar eine brennende Zigarette schießt sie aus dem Mund ihres Mannes!
Doch der unbestrittene Star ist eben dieser elegante Reiter aus dem Postkutschenüberfall: Der legendäre Kundschafter und Bisonjäger Buffalo Bill. Kein Wunder, es ist seine Show, er hat sie mit ihren 200 Darstellern nach Europa gebracht.
Buffalo Bill erlegt in 1,5 Jahren ganze 4280 Tiere
Tatsächlich kennt kaum jemand den Wilden Westen besser als William Frederick Cody, wie Buffalo Bill eigentlich heißt. Gerade einmal elf Jahre alt ist er, als sein Vater 1857 stirbt und
William für sich selbst sorgen muss.
Es ist die Zeit, als Trecks mit Siedlern in den von Indianern bewohnten Westen der USA ziehen. Arbeiter legen Eisenbahnstrecken durch die Wildnis, und Cowboys treiben riesige Rinderherden durch die Prärie. Alles dort ist wild und rau – wie gemacht für einen abenteuerlustigen Jungen!
William arbeitet als Bote bei der Eisenbahn und heuert als Scout bei der Armee an, um Feindesland auszukundschaften. Er jagt als Postreiter über die Prärie und durch die mächtigen Berge der Rocky Mountains und schießt Büffel, um Eisenbahnarbeiter und die Armee mit Fleisch zu versorgen.
In nur 18 Monaten erlegt er 4280 Tiere. Das bringt ihm den Spitznamen Buffalo Bill ein, Büffel-Bill. Und immer wieder gerät er in Kämpfe gegen Indianer. Seinen Erzählungen nach tötet er den ersten Sioux-Krieger, als er noch nicht einmal 14 ist!
Plötzlich wird William Cody zum Star
Mit Anfang 20 hat William Cody mehr erlebt als andere in zehn Leben. Und doch wäre er wohl einer unter vielen Cowboys geblieben und längst vergessen. Aber dann begegnet er Ned
Buntline. Der Journalist aus New York ist von der wilden Lebensgeschichte des jungen Mannes begeistert. Er veröffentlicht Artikel und Hefte über Buffalo Bill und bringt ein Theaterstück heraus.
Ned Buntline malt Williams Heldentaten in den schillerndsten Farben aus. Vieles ist maßlos übertrieben. Doch Buntline trifft genau den Geschmack der Menschen in den Städten, die sich nach Abenteuern sehnen. Als Buffalo Bill 1876 gegen einen Indianer kämpft und ihn skalpiert, ist er so bekannt wie ein Popstar heute.
Die Zeit des Wilden Westens ist fast vorbei
Die Indianer sind besiegt und müssen auf wertlosen Landstücken leben, den Reservaten. Komfortable Eisenbahnen verbinden Osten und Westen Amerikas, und auch die Zeit der Viehtrecks ist vorbei. Die waghalsigen Cowboys – sie werden nicht mehr gebraucht.
Nun zeigt Buffalo Bill, dass er mehr kann als schießen und reiten. Er nutzt seinen Ruhm, um seine eigene Show aufzuziehen und die Geschichte des Wilden Westens weiterzuerzählen: Er stellt ein riesiges Aufgebot an Tieren und Cowboys zusammen und heuert sogar seine früheren Feinde, die Indianer an. Die sind oft froh, Geld zu verdienen und aus ihren tristen Reservaten herauszukommen. Sogar der legendäre Sioux-Häuptling Sitting Bull lässt sich den neugierigen Besuchern vorführen.