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Tiefsee Leben im Dunkeln

In 1000 Meter Wassertiefe ist es stockfinster. Doch selbst hier leben große und kleine Kreaturen. Aber wie? - Das erklären ein Artikel und eine interaktive Animation

Inhaltsverzeichnis

In der Tiefsee gibt es kein Sonnenlicht und keine Pflanzen. Das Reich der ewigen Finsternis beginnt 200 Meter unter dem Meeresspiegel und reicht an der tiefsten Stelle, dem Marianengraben im Pazifik, knapp elf Kilometer hinab. Hier hausen gruselig anmutende Wesen, mit glitzernden Augen, durchsichtigen Körpern oder riesigen Bäuchen.

Riesige Last Nie wird es wärmer als vier Grad. Der Druck der Wassermassen ist so groß, dass sich viele Tiere nur ganz langsam bewegen können. Bis zu einer Tonne Gewicht lastet in der Tiefe auf jedem Quadratzentimeter der Lebewesen. Nur weil ihre wabbeligen Körper sehr wasserhaltig sind, werden sie nicht zerquetscht.

Tiefsee: Mit haarfeinen Antennen tastet dieser Anglerfisch in der Dunkelheit nach Druckwellen vorbeihuschender Tiere
Mit haarfeinen Antennen tastet dieser Anglerfisch in der Dunkelheit nach Druckwellen vorbeihuschender Tiere
© BBC/David Shale

Ewige Nacht

Tiefsee: Ausgerüstet wie ein Astronom: Mit sensiblen Teleskopaugen späht der Hochgucker Winteria im Dämmerlicht nach Leckerbissen
Ausgerüstet wie ein Astronom: Mit sensiblen Teleskopaugen späht der Hochgucker Winteria im Dämmerlicht nach Leckerbissen
© BBC

Obendrein dringen schon in 300 Meter Tiefe nur noch schwache Lichtfetzen durchs Wasser. Tiefer als 1000 Meter ist es stockdunkel. Ohne Licht aber gedeihen keine Korallen, keine Algen, keine Pflanzen - und deshalb gibt es wenig zu fressen. In dieser tristen Region zu überleben ist hart. Die Tiere würden sogar allesamt verhungern - gäbe es da nicht ein ausgeklügeltes System, mit dem die Natur die Tiefsee mit Nahrung versorgt.

Nächtliche Mahlzeiten

Sie schickt nämlich die "Keller-Bewohner der Ozeane" dorthin, wo es was zu schnabulieren gibt - nach oben! Nachts steigen glitzernde Kronenquallen, silbrig leuchtende Laternenfische und große Garnelenschwärme in höhere Meeresschichten auf, in denen sie reichlich Plankton und Algen vorfinden. Hier futtern sie sich satt und kehren dann noch vor Sonnenaufgang wieder in die Düsternis zurück. Im Hellen zu bleiben, wäre zu gefährlich. Dort könnten die Planktonfresser von den hungrige Raubfischen geschnappt werden, die ihnen aus der Tiefe folgen.

Tiefsee: Tückisch glimmende Lippe: Leuchtzellen am Oberkiefer des Anglerfisches Thaumatichthys sollen neugierige Beute anlocken
Tückisch glimmende Lippe: Leuchtzellen am Oberkiefer des Anglerfisches Thaumatichthys sollen neugierige Beute anlocken
© BBC/David Shale

Rekord-Taucher

Der Laternenfisch mit dem komplizierten Namen Ceratoscopelus warmingii hält den Rekord für die weiteste Reise: Er taucht jede Nacht drei Stunden lang aus 1700 Meter Tiefe hinauf, um 100 Meter unter dem Meeresspiegel auf Jagd zu gehen. Wann er losschwimmen muss, sagt ihm eine Art eingebauter Wecker. Praktisch, oder? Dank dieser Ausflüge werden nicht nur die Nacht-Wanderer satt - sie versorgen die ganze Tiefsee mit neuer Nahrung!

Ausgeklügelte Nahrungskette

Denn Tiere wie die Kronenquallen sind so etwas wie Expresskuriere für Energie. Wie auf einer Leiter klettern mit ihnen die Nährstoffe von oben nach unten. Also von der Alge an der Meeresoberfläche zum Tiefseefisch auf dem Grund. Die Kette funktioniert so: Voll gefuttert mit Plankton, taucht die Qualle ins Dunkel hinab. Auf dem Weg wird sie, wenn sie Pech hat, von einem Räuber verschlungen. Der wiederum landet ein paar hundert Meter tiefer im Magen eines Tiefsee-Hais. Stirbt dieser, sinkt sein Kadaver noch tiefer hinunter.

Leckerer "Meeresschnee"

Auf diese Weise werden Nährstoffe "hinabgereicht", bis schließlich nur noch ein Rest der ursprünglichen Menge ganz unten am Meeresboden ankommt. Dort landen hauptsächlich Kotbällchen, Überbleibsel toter Tiere und winzige Pflanzenteilchen. Wie Schneeflocken rieseln sie herab. Doch selbst dieser "Meeresschnee" ist Nahrung - für Bakterien, die dann wieder von größeren Bodenbewohnern aufgemampft werden.

Regungslose Räuber

Weil am unteren Ende der Leiter nur noch wenig Nährstoffe ankommen, müssen die Lebewesen dort Energie sparen: Sie bewegen sich fast nicht und lauern reglos auf Beute. Experten glauben sogar, dass manche jahrelang ohne Nahrung auskommen! Damit den Jägern der Tiefsee kein leckerer Brocken entgeht, besitzen viele gruselig anmutende Mäuler: Der Vipernfisch hat so große Zähne, dass sie ihm bis zu den Augen aus dem Maul ragen.

Leuchtende Gaumen-Falle

Besonders gerissen ist der Anglerfisch Thaumatichthys (das ist Griechisch und heißt "Wunderfisch"): Er lockt die Opfer in der Finsternis mit seinem leuchtenden Gaumen an und lotst sie direkt in seinen Schlund! Wie viele Tiere der Tiefsee besitzt er Zellen, in denen Bakterien Licht erzeugen.

Auf der Suche nach dem Riesenkalmar

Die Tiefsee ist kaum erforscht, weil man nur sehr schwer dort hinuntergelangt. Die Forscher schätzen, dass es in der kalten Finsternis mindestens eine Million bislang unentdeckte Arten gibt. Viele davon so winzig, dass man sie nur unter dem Mikroskop wird erkennen können. Doch auch eines der größten Meerestiere gilt es noch aufzuspüren: den Riesenkalmar, einen bis zu 17 Meter langen Tintenfisch. Der ist bisher nur tot in Fischernetzen oder als Treibgut am Strand gelandet.

Tiefsee: Leichenschmaus: Das Fleisch eines Walkadavers vertilgen Schleimaale, Flohkrebse und Grenadierfische manchmal in wenigen Tagen - an den Knochen zehren Bakterien jahrelang
Leichenschmaus: Das Fleisch eines Walkadavers vertilgen Schleimaale, Flohkrebse und Grenadierfische manchmal in wenigen Tagen - an den Knochen zehren Bakterien jahrelang
© BBC/Craig R. Smith

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