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Auf der Höhe: Berufe rund um den Berg

Sechs echte Bergarbeiter verraten in GEOlino extra, wie der Alltag auf, am, über oder rund um den Berg aussieht und wie sie sich hochgearbeitet haben

Inhaltsverzeichnis

Hüttenwartin

"Hier oben sind einfach alle gleich."

Wer oben angekommen ist, findet bei Dorothea Boss, 42, einen Schlafplatz. In der Tuoi-Hütte nahe Guarda in den Schweizer Alpen empfängt sie in 2250 Meter Höhe Wanderer, Bergsteiger und Skifahrer aus der ganzen Welt.

Beruf: Hüttenwartin

Alltag: Je früher der Morgen, desto besser der Schnee. Deshalb wollen meine Gäste so zeitig wie möglich aufbrechen. Für mich bedeutet das: noch früher aufstehen! Um drei Uhr klingelt mein Wecker. Dann mache ich mit meinen Helfern Frühstück. Anschließend wird die Hütte aufgeräumt und geputzt- von oben bis unten. Ich kümmere mich außerdem um den Einkauf. Im Sommer können wir die Lebensmittel mit dem Auto bis zur Hütte fahren. Im Winter, bei Schnee und Eis, lagern wir so viele Vorräte wie möglich ein. Frische Produkte wie Gemüse oder Früchte tragen wir in Rucksäcken nach oben oder lassen sie mit dem Helikopter hochfliegen. In der Höhe geht es nicht mehr ums Aussehen, viel Geld oder einen tollen Job. Hier sind einfach alle gleich: Das mag ich. Was ich aber gar nicht mag, sind Käsefüße. Wenn im Trockenraum 80 Leute ihre Schuhe abstellen, reicht schon einer mit Stinkemauken - und die frische Bergluft ist dahin!

Eindrucksvollstes Bergerlebnis: Jeden Abend, wenn alle Gäste schlafen, trete ich noch einmal vor die Hütte, um meinem Hund "Gute Nacht" zu sagen. Dann ist es hier oben ganz ruhig, und die Sterne leuchten. Und ich weiß, warum ich das alles mache.

Ausbildung: Ich bin gelernte Hotelfachfrau, habe jahrelang als Ski- und Snowboard-Lehrerin gearbeitet und nebenbei gekellnert. Ich habe dann zunächst auf einer anderen Hütte ausgeholfen. Seit zwei Jahren leite ich nun die Tuoi-Hütte.

Tipp: Wer diesen Beruf ergreifen will, sollte belastbar und flexibel sein. Hier ist nicht alles planbar. Außerdem ist es wichtig, Erfahrung im Schnee zu sammeln. Schließlich muss ich meinen Gästen sagen, wo sie am besten Ski fahren können und welche Stellen gefährlich sind.

Dorothea Boss genießt die Ruhe am Berg mit ihrem Hund Silver Blue
Dorothea Boss genießt die Ruhe am Berg mit ihrem Hund Silver Blue
© privat

Mehr Berufe

Bergabenteurer

"Angst habe ich dort oben nicht."

Die Nerven von Freddy Nock, 47, aus Uerkheim in der Schweiz müssen so stark sein wie die Drahtseile der Seilbahnen, auf denen er die Berge hinaufbalanciert. Firmen oder Städte buchen ihn für derlei Vorführungen.

Beruf: Hochseilartist und Extremsportler

Alltag: Um auf dem Seil einer Bergbahn zu laufen, muss ich absolut fit sein. Deshalb trainiere ich jeden Tag, gehe joggen und mache spezielle Übungen, etwa, um meine Atemtechnik zu verbessern. Denn am Berg wird die Luft immer dünner, ich kriege schwerer Luft. Bei meinen Auftritten auf dem Seil muss ich mich sehr konzentrieren. Es gab schon Situationen, in denen mich die Schwingungen des Seils beinahe hinabgeschleudert hätten. Einige Male bin ich auch abgerutscht und konnte mich nur noch mit einer Hand am Seil festhalten. Trotzdem: Angst habe ich dort oben nicht. Sonst könnte ich diesen Beruf auch nicht machen.

Eindrucksvollstes Bergerlebnis: Manchmal, wenn ich dort oben balanciere und dann aufblicke, sieht die Landschaft aus wie ein Gemälde. All jene Momente haben sich bei mir genauestens eingeprägt, und ich kann mich tatsächlich noch an jeden Lauf erinnern.

Ausbildung: Seit 1770 sind die Mitglieder der Familie Nock Seilläufer. Meine Eltern haben mir das von klein auf beigebracht. Mit elf Jahren stand ich erstmals ungesichert auf einem Hochseil. Im Laufe der Jahre habe ich mir dann immer mehr zugetraut und einfach ausprobiert.

Tipp: Wer diesen Beruf ergreifen will, sollte selbstverständlich nicht sofort ohne Sicherung auf ein Seil steigen. Viel zu gefährlich! Und: Wer riskante Kunststücke wagt, darf das nicht nur wegen des großen Geldes tun. Das ist es nicht wert. Schließlich riskiert man sein Leben.

Bergbauarbeiter

"Wir müssen jeden schönen Tag voll ausnutzen."

Wege, Brücken oder sogar Kläranlagen - Hansjörg Wechselberger, 55, aus Stummerberg in Österreich und seine Mitarbeiter bauen all das auf bis zu 3000 Meter Höhe.

Beruf: Erdbeweger und Sprengunternehmer

Alltag: Eines steht fest - auf einer Baustelle in den Bergen zu arbeiten ist mühsam. Das fängt schon mit dem Weg zur Arbeit an. Bis zum letzten schmalen Bergpfad fahren wir in einem Geländewagen. Danach geht’s oft noch zu Fuß weiter - die schweren Werkzeuge auf dem Rücken. Bagger oder Baucontainer bringt ein Helikopter zur Baustelle. Vor Ort müssen wir jeden schönen Tag voll ausnutzen. Also beginnen wir schon im Morgengrauen, bohren Löcher in den Fels, sprengen Gestein, graben mit speziellen Baggern, ebnen Wege oder verlegen Leitungen. Erst wenn es zu dunkel wird, geht es zum Schlafen in den Container. Ziemlich anstrengend! Aber es ist ein schönes Gefühl, etwas am Berg zu schaffen, das noch viele Jahre später dort oben zu finden sein wird

Eindrucksvollstes Bergerlebnis: An einem Augusttag im Jahr 2000 probierten wir zum ersten Mal ein neues Bohrgerät aus, das wir sechs Jahre lang entwickelt hatten. Früher bohrten wir Löcher am Steilhang eigenhändig mit tragbaren Pressluft- Bohrhämmern. Schwerstarbeit. Der Moment, als ich sah, dass unsere neue Maschine funktionierte, war der wichtigste in meiner beruflichen Laufbahn. Denn noch heute erleichtert uns dieses Gerät die Arbeit am Berg enorm

Ausbildung: Ich bin ausgebildeter Gas- und Wasserleitungsinstallateur. Im Jahr 1994 habe ich mich als Erdbeweger und Sprengunternehmer mit meiner eigenen Firma selbstständig gemacht.

Tipp: Wer diesen Beruf ergreifen will, sollte eine handwerkliche Ausbildung machen und sich zum Beispiel in Arbeitsgruppen über Fels- und Hangsicherungen informieren. Doch schon als Jugendlicher kann man Erfahrungen sammeln, wenn man beim örtlichen Alpenverein den zuständigen Hütten- und Wegewarten unter die Arme greift, etwa bei der Pflege von Wanderwegen

Ran ans Werk! Wenn Hansjörg Wechselberger zu seiner Baustelle in den Bergen steigt, trägt er Material und Werkzeug auf dem Rücken
Ran ans Werk! Wenn Hansjörg Wechselberger zu seiner Baustelle in den Bergen steigt, trägt er Material und Werkzeug auf dem Rücken
© privat

Bergforscherin

"Wir schauen in den Berg hinein."

Sie geht den Dingen eiskalt auf den Grund: Um in den Bergen Permafrost zu erforschen, lässt Jeanette Nötzli, 35, aus Zürich in der Schweiz Messgeräte im Boden versinken.

Beruf: Geografin und Permafrost-Forscherin

Alltag: Wenn der Boden in Fels- oder Schuttgebieten das ganze Jahr unter null Grad Celsius kalt und das Wasser darin gefroren ist, spricht man von Permafrost. Und der verhält sich besonders. Gibt es in einer Schutthalde sehr viel Eis, verformt sie sich und wandert zum Beispiel. Taut das Eis im Boden auf, weil es immer wärmer wird, können an einigen Stellen Felsbrocken hinabstürzen. Da der Permafrost im Untergrund verborgen liegt, wollen meine Kollegen und ich herausfinden, wo und wie warm er ist und wie er sich verändert. Dazu schauen wir quasi in den Berg hinein. An verschiedenen Stellen haben wir tiefe Löcher in den Fels gebohrt - etwa am Schilthorn im Berner Oberland und am Corvatsch bei St. Moritz. Ein Messgerät darin registriert automatisch die Temperaturen und sendet sie direkt auf meinen Computer an der Universität Zürich. Die meiste Zeit sitze ich dort am Schreibtisch und werte etwa die Daten aus. Einige Male im Jahr steige ich allerdings hinauf. Beispielsweise, um die gemessenen Temperaturen jener Geräte auszulesen, die an der Bergoberfläche verteilt sind. Anschließend darf ich auf keinen Fall vergessen, die Batterien der Geräte zu wechseln. Sonst gibt es im nächsten Jahr eine böse Überraschung

Eindrucksvollstes Bergerlebnis: Mich begeistert es, wie unterschiedlich ein Gebirge aussehen kann, je nach Jahreszeit oder Wetter. Ich schaue natürlich gleich mit den Augen der Forscherin darauf und überlege mir, woran das liegt.

Ausbildung Ich habe Geografie studiert und an einem Kurs teilgenommen, der in den Bergen stattfand. Das hat mir so gut gefallen, dass ich beruflich dort geblieben bin.

Tipp: Wer diesen Beruf ergreifen will, muss mit dem Computer klarkommen und neugierig sein auf das, was in der Höhe an und unter der Oberfläche passiert.

Warm oder kalt? Jeannette Nötzli untersucht, wie sich die Temperaturen von Permafrost-Böden verändern
Warm oder kalt? Jeannette Nötzli untersucht, wie sich die Temperaturen von Permafrost-Böden verändern
© privat

Bergführer

"Wer jammern kann, schafft auch noch den Aufstieg."

Alexander Römer, 42, aus Holzkirchen bei München führte bereits Hunderte Menschen auf die Berge dieser Welt - etwa auf den Kilimandscharo oder die Zugspitze.

Beruf: Berg- und Skiführer sowie Bergschulleiter

Alltag: Noch bevor ich meine Gäste zum Gipfel führe, lege ich die Route fest und entscheide sehr genau, wann wir wo entlangwandern oder -klettern. Dabei achte ich vor allem darauf, wie gut jeder meiner Kunden wohl in Form ist und wie viel Bergerfahrung er mitbringt. Und trotzdem: Beim Aufstieg hat dann beinahe jeder irgendwann einen Tiefpunkt. Na klar, die Beine werden schwer, die Luft wird dünner, jeder Muskel im Körper zwickt. Doch wer jammern kann, schafft auch den Aufstieg noch. Das ist meine Faustregel. Ich versuche dann, mit Worten anzutreiben: "Los, wir haben es bald geschafft!" Und wenn wir oben am Gipfelkreuz stehen und die Aussicht genießen, weiß jeder, dass es sich gelohnt hat.

Eindrucksvollstes Bergerlebnis: Mit einem Gast war ich am Monte Albano in Italien unterwegs. Wir kletterten einen schwierigen, beinahe senkrechten Steig hinauf. An der Steilwand hing er plötzlich regungslos an seinem Sicherungsseil. Er hatte das Bewusstsein verloren - aus Angst. Ich selbst brauchte ein paar Sekunden, um zu begreifen, was da passierte. Dann aber seilte ich mich zu ihm ab, zog ihn auf den nächsten Felsvorsprung, wo er zum Glück wenig später wieder zu sich kam. Ausbildung: Ich habe eine drei Jahre lange Ausbildung zum staatlich geprüften Berg- und Skiführer an der Technischen Universität München gemacht. Dort lernte ich alles, was am Berg wichtig ist: Sicherungstechniken, Erste Hilfe, Wetterbeobachtung, Fremdsprachen und vieles mehr.

Tipp: Wer diesen Beruf ergreifen will, muss vorab ein sehr guter Bergsteiger sein und dann üben, üben, üben. Und zwar alle Disziplinen am Berg - egal ob Skifahren, Wandern oder Eisklettern. Außerdem sollte man mit Menschen arbeiten wollen und sie begeistern können.

Bergretter

"Ich muss unbedingt einen kühlen Kopf bewahren."

Bei einem Notfall setzt der Australier Steven Bokan, 52, zum Höhenflug an. Der Hubschrauber-Pilot lebt in Lalitpur in Nepal und fliegt Rettungseinsätze im Himalaya.

Beruf: Helikopter-Pilot und Bergretter

Alltag: Feste Tagesabläufe gibt es in meinem Beruf nicht. Manchmal habe ich eine Woche lang keinen Einsatz und dann, plötzlich, bis zu sechs an einem Tag. Am häufigsten werden wir gerufen, weil ein Bergsteiger beim Aufstieg im Himalaya die Höhenkrankheit bekommt. Auch Herzinfarkte oder Knochenbrüche kommen vor. Beim Fliegen darf ich mich dann aber auf keinen Fall unter Druck setzen lassen, weil ein Leben in Gefahr ist. Ich muss unbedingt einen kühlen Kopf bewahren. Denn ein Flug auf bis zu 7000 Meter Höhe ist für einen Piloten alles andere als einfach: Blitzschnell muss ich auf die Wetterbedingungen am Berg reagieren und Nebel oder drohendem Schneefall ausweichen. Auch der Wind ist unberechenbar. Und zu alldem muss ich gegen mich selbst kämpfen. Denn ab einer gewissen Höhe ist die Luft so dünn, dass wir nicht mehr die gleiche Ausdauer und Kraft haben wie am Boden.

Eindrucksvollstes Bergerlebnis: Für mich ist es immer wieder ein wunderbares Gefühl, nach einem langen Tag nach Hause zu gehen, nachdem ich sicher gelandet bin und vielleicht sogar ein Leben gerettet habe.

Ausbildung: Vor mehr als 20 Jahren habe ich eine Ausbildung zum Helikopter-Piloten gemacht und mich auf Flüge im Gebirge spezialisiert. Mittlerweile war ich mehr als 5000 Flugstunden in der Luft.

Tipp: Wer diesen Beruf ergreifen will, muss ein sehr guter Pilot sein und auch Glück und besonderes Geschick haben. Es gibt nur wenige auf der Welt, die auf dieser Höhe fliegen.

Knochenbrüche, Herzinfarkt, Höhenkrankheit: Daran darf Steven Bokan bei einem Einsatz erst einmal gar nicht denken
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© privat
GEOLINO EXTRA Nr. 35 - Berge - Abenteuer in eisigen Höhen: ein GEOlino extra

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