Lest ihr diese Geschichte zufällig beim Frühstück? Und knuspert gerade ein paar Cornflakes? Dann staunt ihr bestimmt, wenn wir euch verraten, dass sie schon vor mehr als 100 Jahren erfunden wurden – in einem Krankenhaus! Und dass um die Getreideflocken ein erbitterter Streit entbrannte, ein Streit zwischen zwei Brüdern, in dem es bald um Verrat ging. Schiebt euch noch einen Löffel in den Mund – Stärkung kann man für diese verrückte Geschichte brauchen...
Vor über 100 Jahren wurden die Cornflakes im Krankenhaus erfunden
Sie beginnt in Battle Creek im US-Bundesstaat Michigan. Dort, wo sich noch heute der Hauptsitz der Kellogg Company befindet, machte ab 1876 der Arzt John Harvey Kellogg von sich reden. Im „Battle Creek Sanitarium“ behandelte er Patienten, die in den wachsenden US-Städten unter Stress und Hektik litten. Und die sich dazu oftmals ungesund ernährten. Viele futterten Morgen für Morgen Würstchen und Speck. Alles zusammen legte ihren Darm lahm: Sie quälten sich mit Verdauungsbeschwerden aller Art.
Und John Harvey Kellogg? Behandelte die Frauen und Männer mit Elektroschocks und Eisbädern. Bewegungsmuffel ließ er schon im Morgengrauen zum Frühsport antanzen. Dazu predigte er, selbst überzeugter Vegetarier und strenggläubiger Christ, den Verzicht auf Fleisch, Zucker, Alkohol, Tabak. Selbst Salz, Pfeffer und Essig verteufelte der Arzt. Stattdessen servierte er Breie und Brote aus Getreide und Nüssen. Geschmacklich fade – und dennoch galt John Harvey Kellogg schnell als Star-Doktor seiner Zeit. Aus allen Ecken des Landes pilgerten die Patienten nach Battle Creek.
John Harvey und Will Keith Kellogg: Zwei Brüder, eine Erfindung
Bloß eines war John Harvey Kellogg nicht: ein guter Geschäftsmann. Rechnungen schreiben, Buchhaltung, Post – diese Aufgaben überließ er lieber seinem acht Jahre jüngeren Bruder Will Keith. Dieser war zuvor als Bürstenhändler unterwegs gewesen. Und gescheitert. In Battle Creek wollte er fortan durchstarten. Dafür schuftete er, mal 80, manchmal gar 120 Stunden in der Woche für einen Lohn von gerade mal drei Dollar pro Tag(nach heutiger Kaufkraft umgerechnet etwa 76,50 Euro). "Ich befürchte, ich werde immer ein armer Mann bleiben", schrieb er damals in sein Tagebuch.
Doch eines Morgens im Jahr 1894 kam alles anders: Zufällig entdeckten die Brüder in einer Schüssel einen Teigrest vom Vortag. Als sie die eingetrocknete Masse pressten, hielt diese nicht wie sonst als Fladen zusammen, sondern zerbröselte zwischen ihren Fingern. John und Will kam eine Idee: Sie buken aus den Bröseln knusprige Flocken und servierten diese den Patienten – die das neue Frühstück tatsächlich munter knusperten. Und so war die sogenannte Granose der Kellogg-Brüder bald buchstäblich in aller Munde und lockte die ersten Nachahmer nach Battle Creek. Innerhalb weniger Jahre zählte die 30 000-Einwohner-Stadt mehrere Hundert Frühstücksflocken-Produzenten.
Die Cornflakes-Erfinder sind sich uneinig: Das Geschäft ausbauen oder nicht?
Will war schnell klar, welch ein Riesengeschäft den Kelloggs durch die Lappen gehen könnte. Er wollte das Unternehmen ausbauen, unbedingt! Doch John blieb stur: „Wir sollten uns mit der kleinen Firma zufriedengeben“, wiederholte er immer wieder. Weshalb sollte er seinen Ruf als Arzt aufs Spiel setzen?
Doch Will ließen die Flocken keine Ruhe. Wann immer John verreist war, schlich er sich in die Küche und feilte am Rezept. Er ersetzte den Weizen durch Mais und fügte eine Prise Salz hinzu. Doch richtig schmackhaft wurden seine Cornflakes erst, als er Zucker beimischte. Jene Zutat, die John aus der Klinikküche verbannt hatte…
Die Brüder gehen getrennte Wege - und Kelloggs wird ein Welterfolg
Als John davon erfuhr, war er außer sich. Sein Bruder hatte ihn und seine Arbeit verraten! Kurz darauf gingen sie getrennte Wege. John servierte weiter Granose – Will gründete eine eigene Firma, die Monat für Monat erfolgreicher wurde. Bald raschelten auf den Tischen im ganzen Land süße Cornflakes in die Frühstücksschälchen.
Und als sich die Brüder im Jahr 1917 vor Gericht wiedertrafen, wo entschieden werden sollte, wer welche Flocken unter dem Namen Kellogg verkaufen durfte, bekam Will den Zuschlag.
Ein armer Mann, wie er einst in seinem Tagebuch notiert hatte, blieb er nicht. Im Gegenteil! Mit der Kellogg Company verdiente er bald ein Vermögen. Er entwickelte neue Produkte und baute sein Unternehmen aus.
Heute macht Kellogg’s pro Jahr fast zwölf Milliarden Euro Umsatz. In mehr als 180 Ländern löffeln die Menschen Cornflakes und Co. zum Frühstück. Tatsächlich aber setzt das Unternehmen in den vergangenen Jahren auf ein neues, altes Erfolgsrezept: Es bietet Cornflakes mit weniger Zucker an. Zwar haben sich die Brüder nie versöhnt. Doch darüber hätte sich vielleicht auch John Harvey Kellogg gefreut.