Billi Bierling aus Garmisch-Partenkirchen in Bayern lebt heute in Nepal, am Fuße des Himalaya, und ist sozusagen dessen "Buchhalterin". Als Assistentin der US-Amerikanerin Elizabeth Hawley prüft sie, wer tatsächlich ganz oben auf den Gipfeln der Achttausender war. GEOlino sprach mit der 43-Jährigen über verrückte Rekorde und nebulöse Beweise.
GEOlino: Um auf den Nanga Parbat zu gelangen, stolperte und kroch Hermann Buhl 41 Stunden über den Berg – allein, ohne zusätzlichen Sauerstoff. Hand aufs Herz: Hätten Sie ihm diese Geschichte abgenommen?
Billi Bierling: Hmmm, schwer zu sagen. Aber wenn Buhl vor mir gesessen hätte, mit seinem zerfurchten Gesicht, dem zerfallenen Körper, dann hätte ich ihm wohl geglaubt. Man bekommt über die Jahre ein Gefühl dafür, wer zu solch außerordentlichen Märschen fähig ist und wer nicht.
Wie stellen Sie fest, ob jemand wirklich oben war – oder das nur behauptet?
Erst mal gehe ich immer davon aus, dass ich nicht angeflunkert werde. Nur wenn mir irgendetwas sehr seltsam vorkommt, hake ich genauer nach.
Verlangen Sie auch Beweise?
Nur wenn Elizabeth Hawley und ich beide große Zweifel haben, wollen wir Fotos sehen oder Aussagen anderer Bergsteiger hören. Im Jahr 2004 zum Beispiel behauptete der Nepalese Pemba Dorje Sherpa, er habe in acht Stunden und zehn Minuten den Mount Everest bestiegen – das wäre neuer Geschwindigkeitsweltrekord. Elizabeth Hawley kam das zu schnell vor. Pemba stieg von der Südseite auf. Miss Hawley fragte ihn darum, ob er Leute von der Nordseite habe aufsteigen sehen.
Er sagte dann, er habe Bergsteiger mit Stirnlampen gesehen, alle auf dem Weg zum Gipfel. Elizabeth Hawley forschte bei anderen Kletterern nach und fand heraus, dass an jenem Tag kein einziger auf der Nordseite unterwegs war.
Und dann?
Bekam Pembas Rekord in unserer Datenbank ein Sternchen – für „strittig“.
Nehmen Sie jeden Bergsteiger im Himalaya ins Verhör, um die Wahrheit herauszufinden?
Sagen wir, Elizabeth Hawley und ich versuchen möglichst jeden zu interviewen, um festzuhalten, wer die großen Berge erklimmt. Dazu erfragen wir im Frühjahr, welche Teams eine Tour planen – und sprechen mit ihnen vor und dann vor allem nach ihrer Besteigung. Ich befrage um die 150 Bergsteiger pro Jahr.
Kommen eigentlich viele, um Rekorde aufzustellen? Oh ja. Seit die großen Gipfel alle erstbestiegen sind, denken sich Kletterer irrsinnige Sachen aus. Neulich erst war ein 13-jähriger US-Amerikaner auf dem Gipfel, der Jüngste! Wir bekommen aber auch Anfragen wie diese: Auf welchen Gipfel müssen meine Frau und ich steigen, um das erste Ehepaar dort oben zu sein? Oder: Ich will der erste Tierarzt auf dem Everest sein. Das ist wirklich Wahnsinn!