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Wildpark "Experten" der Dunkelheit

Wir können weder so gut sehen wie der Luchs - noch können wir so gut hören wie die Fledermaus. Wie fühlt es sich an, wenn wir uns mal nicht auf unsere Augen verlassen können? Bei einer Nachtwanderung im Wildpark "Schwarze Berge" kann man erproben, wie es ist mit Ohren, Nase, Händen und Füßen "sehen" zu müssen. Ein Besuch bei den "Experten" der Dunkelheit

Inhaltsverzeichnis

"Experten" der Dunkelheit

So leise wie möglich, mit vorsichtigen Schritten, geht es in die Dämmerung. Es ist kurz nach 20 Uhr. Eine Schar von gut 60 Besuchern ist in den Wildpark "Schwarze Berge" bei Hamburg gekommen, um heute die Tiere zu besuchen, die gerade erst so richtig munter werden: die Nachtaktiven.

Die große, hell erleuchtete Hütte am Eingang des Wildparks liegt gerade ein paar Minuten zurück, als ein erster Geruch in die Nase steigt. Noch ist es einfach den Verursacher zu bestimmen. Noch lassen die Bäume genug Licht einfallen, um die Umrisse eines ersten nachtaktiven "Bewohners" zu sehen – ein "Esel", wie die Jugendlichen richtig erkennen.

Ein paar Schritte weiter ist aus der Stille plötzlich ein lautes Schnarchen zu hören. "Hängebauchschweine", hilft die Gruppenführerin Tatjana Jensen den Lauschenden weiter. Inzwischen bekommen die Augen plötzlich etwas zu tun. Flink schießt ein Frettchen zwischen den Käfigen friedlich dösender Wildschweine entlang.

Die Gruppe geht, dicht aneinander gedrängt, immer tiefer ins Innere des Wildparks. Zumeist auf befestigten Wegen, aber kleine Abschnitte auch über weichen Waldboden, aus dem die Wurzeln herausgucken. Allmählich wird es so dunkel, dass man schon die Sehfähigkeit eines Luchs bräuchte, um sich mühelos zu orientieren. Denn seine Augen machen ihn zu einem wahren "Experten" für die Dunkelheit: Die Lichtempfindlichkeit der großen Katze ist sechsmal stärkere als die des Menschen. "Der Luchs kann Mond- und Sternenlicht besser verwenden als wir", erklärt Tatjana Jensen, dem aufmerksamen Publikum. Zeigen will sich das Raubtier mit den Pinselohren in dieser Nacht allerdings nicht.

Wildpark: Gute Augen und ein scharfes Gehör helfen dem Luchs in der Dunkelheit
Gute Augen und ein scharfes Gehör helfen dem Luchs in der Dunkelheit
© Mark Tomalty/Aurora/Getty Images

"Hörerlebnis" Nachtwanderung

Trotzdem ist die Nachtwanderung ein Erlebnis - ein "Hörerlebnis", wie Jensen schon vor der Wanderung verspricht. Mitten im Wildpark, umgeben von Buchen und Fichten, bittet sie die Besucher für eine Minute den Geräuschen zu lauschen: Dem Wind, der in den Blättern rauscht - knacksende Äste - herabfallenden Eicheln, dem Röhren des Rothirschs. Auch die nah gelegene Autobahn ist zu hören. Wobei letztes für viele ein so vertrautes Geräusch ist, das es von den Besuchern meist nicht mehr bemerkt wird, weiß Tatjana Jensens aus Erfahrung.

Die Nachtwanderung fordert unsere Sinne heraus, die sonst durch die Augen unterstützt werden. Wie eben das Hören. Aber auch Geruchs- und Tastsinn werden in der Dunkelheit wichtige Informationslieferanten. "Riecht ganz schön streng", meint der Elfjährige Joschua Clevel, der sich eine Riechprobe unter die Nase hält. Schafwolle, wie sich herausstellt. Und auch zu fühlen kann man einiges. Das drahtige Fell und die Krallen des Dachses zum Beispiel. Oder das weiche Fell des Fischotters, auf dessen Haut, so Jensen, pro Quadratzentimeter gut 40 000 Haare wachsen.

"Ich würde gerne Fledermäuse fliegen sehen", erzählt Lara Kell, eines der vielen Kinder, die an der Nachtwanderung teilnehmen. Doch diese Tiere halten schon Winterschlaf. Aber es gibt im Wildpark Flughunde, "die Verwandten der Fledermäuse". Anders als ihre Artgenossen brauchen die kleinen Säugetiere keinen Winterschlaf. Zwar sind Flughunde nachaktiv, nur ist die Zeit der Nachtwanderung für sie Tag. Eine Rotlichtlampe suggeriert ihnen diesen Rhythmus. In ihrem 25 Grad warmen Häuschen kann man die Tiere nur beobachten, wenn es für uns hell ist.

Rothirsche haben Paarungszeit

Lara ist darüber nicht enttäuscht: "Die Nachtwanderung ist ja ganz toll", meint die 9-Jährige. Dass findet auch ihre Freundin Natascha Hack, die den Wildpark im Süden Hamburgs schon öfter bei Tageslicht besucht hat. "Es ist aufregend, alles in der Nacht zu machen", sagt das Hamburger Mädchen. Für ein wenig Orientierungshilfe und für eine gemütliche Atmosphäre sorgen Teelichter, die immer mal wieder auf dem Weg platziert sind. So finden die Besucher auf der zweistündigen Wanderung sicher durch einen Teil des insgesamt 50 Hektar großen Parks.

Irgendwann kommt auch das, von weiten schon zu vernehmende, Röhren näher. Rothirsche stoßen den markanten Ton aus, um ihre jeweiligen Territorien abzugrenzen. Dieses Verhalten ist Teil der Brunft, der Paarungszeit, die von September bis Oktober dauert. In dieser Nacht "zeigt" sich der "König der Wälder" - wie man die Tiere auf Grund ihrer majestätisch anmutenden Erscheinung auch bezeichnet - nur akustisch.

Mit anderen "Experten" für die Nacht haben die Besucher mehr Glück. Wie etwa mit den Eulen, die still in ihren Käfigen sitzen und dem eigentlich scheuen Dachs, der neugierig aus seinem Bau kommt. Spätestens als die hell erleuchtete Hütte erneut auftaucht, kommen die Augen der Besucher wieder zum Einsatz und führen die Gruppe zurück in ihr vertrautes "Revier".

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