Meeresgeologie "Abrupteste Überflutung der Erdgeschichte" formte das Mittelmeer

Mittelmeer Karte
Ursprünglich war das Mittelmeer überwiegend ein Überbleibsel des Urozeans Thetys, das im Laufe vieler Jahrmillionen durch tektonische Prozesse zunehmend von anderen Meeresgebieten isoliert wurde
© Danuta Zelwan / Adobe Stock
Das Mittelmeer hat eine wechselhafte Vorgeschichte: Einst Teil des Urozeans Thetys, dann teils ausgetrocknet, schließlich gefüllt durch die größte Flut der Erdgeschichte. Das geschah in zwei Phasen

Gegen solch einen gewaltigen Wasserschwall wirken die Niagara- und Viktoria-Fälle zusammen wie ein Rinnsal: Ein internationales Forschungsteam hat die Entstehung des Mittelmeers vor 5,3 Millionen Jahren rekonstruiert. Damals sorgte die Öffnung der heutigen Straße von Gibraltar dafür, dass Wasser aus dem Atlantik in das Mittelmeer-Becken schwappte und diese Senke der Untersuchung zufolge binnen zwei Jahren flutete. 

Das Forschungsteam um den Geowissenschaftler Udara Amarathunga von der Princeton University im US-Bundesstaat New Jersey spricht in der im Fachblatt "Proceedings of the National Academy of Sciences" veröffentlichten Studie von der abruptesten Überflutung der dokumentierten Erdgeschichte. 

Ursprünglich war das Mittelmeer überwiegend ein Überbleibsel des Urozeans Thetys, das im Laufe vieler Jahrmillionen durch tektonische Prozesse zunehmend von anderen Meeresgebieten isoliert wurde. Von vor grob 6 Millionen Jahren bis vor 5,3 Millionen Jahren war das Mittelmeerbecken weitgehend ausgetrocknet. Von dieser sogenannten Messinischen Salzkrise (Messinian Salinity Crisis, MSC) zeugen kilometerdicke Salzablagerungen an den tiefsten Stellen des Beckens.

Zuerst füllte sich das westliche Mittelmeer

Wie sich das Becken nach der Salzkrise füllte, bietet seit Jahren Stoff für Diskussionen. Um dies zu klären, untersuchte das Team nun Bohrkerne aus dem östlichen Mittelmeer unter anderem per Röntgenfluoreszenzanalyse (RFA). "Das erlaubt eine zerstörungsfreie Untersuchung von Bohrkernen in hoher Auflösung", sagt Co-Autorin Ursula Röhl vom Marum-Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen. "Die Ablagerungen bilden ein hochaufgelöstes Archiv der Erdgeschichte. Wir haben ihre geochemische Zusammensetzung nach allen Regeln der Kunst aufgedröselt."

Die aus der Analyse gewonnenen Erkenntnisse kombinierte das Team dann mit Modellierungen und rekonstruierte so die Entstehung des Mittelmeers: Das Meer entstand demnach durch eine tektonisch bedingte Öffnung in der heutigen Straße von Gibraltar, die sich durch das einströmende Atlantik-Wasser rasch vergrößerte.

Das Mittelmeerbecken füllte sich dann in zwei Phasen: Zunächst sammelten sich die Wassermassen im westlichen, bis 3.000 Meter tiefen Teil. Dieser ist von der östlichen, stellenweise mehr als 5.000 Meter tiefen Hälfte abgeriegelt durch die sogenannte Sizilien-Malta-Schwelle – einen von Norden nach Süden verlaufenden, weit aufragenden Meeresrücken.

"Es gab damals kaum Austausch zwischen den Wassermassen"

Als das Wasser im westlichen Becken diese Schwelle überflutete, stürzte es der Studie zufolge auf der östlichen Seite in einem gewaltigen Wasserfall etwa 1.500 Meter in die Tiefe und füllte dann auch die jenseitige Hälfte auf. Dabei kam es zunächst zu einer Verwirbelung und Durchlüftung der Wassersäule. Danach etablierten sich aber über einen Zeitraum von bis zu 12.000 Jahren in den unteren Bereichen weitgehend sauerstoffarme Bedingungen.

Zu dieser Schichtung trug auch der Süßwassereintrag großer Flüsse bei wie etwa Nil und Rhone. Dieses wegen seiner geringeren Dichte leichtere Süßwasser überlagerte das schwerere salzige Meerwasser. "Es gab damals kaum Austausch zwischen den Wassermassen", erläutert die Paläoozeanografin Röhl. Diese ausgeprägte Schichtung in der Wassersäule verschwand demnach erst etwa 33.000 Jahre nach der gewaltigen Flut – und die Meeresbedingungen normalisierten sich.