Sie gehört zu den entlegensten Orten der Erde und ist Tausende von Kilometern vom nächsten Kontinent entfernt: Wer die berühmten Steinstatuen auf der Osterinsel im Südpazifik betrachten möchte, muss eine lange Reise in Kauf nehmen. Nun lässt sich einer ihrer wichtigsten Steinbrüche, der Rano Raraku, erstmals bequem von zu Hause aus virtuell erkunden, dank eines 3D-Modells. Ein Team stellt es im Fachjournal "PLOS One" vor.
Virtueller Zugang zu einem bisher unzugänglichen Ort
"Für einen Archäologen ist der Steinbruch wie das archäologische Disneyland", sagt Hauptautor Carl Lipo von der Binghamton University im US-Bundesstaat New York. Im Rano-Raraku-Steinbruch ist den Forschenden zufolge ein Großteil der rund 1000 ikonischen Statuen entstanden, die auch Moai genannt werden. Das Modell ermögliche Einblicke in Bereiche, die vor Ort kaum zugänglich seien, erklärt Lipo.
Erkunden Sie hier das virtuelle 3D-Modell! (Ladezeit beachten)
Anlass für das Projekt war den Forschenden zufolge ein Feuer, das vor einigen Jahren über Teile des Steinbruchs hinweggezogen war. Nach dem Brand erbaten lokale Denkmalpfleger nach Auskunft des Forschungsteams eine Dokumentation, um die Schäden zu bewerten und Schutzstrategien zu entwickeln. Die Forschenden führten daraufhin eine Reihe von Drohnenflügen durch und machten Tausende Aufnahmen, die anschließend mit Hilfe von Software zu einem vollständigen Modell zusammengesetzt wurden.
Sie lösten damit zugleich eine seit langem gestellte Frage: Wurde die Produktion in dem Steinbruch zentral gesteuert oder spiegelte sie das dezentralisierte Muster wider, das auch anderswo auf der Insel zu finden war.
Was das 3D-Modell über die Moai-Werkstätten verrät
Das Modell zeige 30 unterschiedliche Arbeitsbereiche im Steinbruch. Die Muster der Steinbearbeitung entsprechen laut Studie früheren Hinweisen darauf, dass mehrere Gruppen unabhängig voneinander Statuen herstellten. "Wir sehen getrennte Werkstätten, die wirklich zu verschiedenen Clangruppen passen", sagte Lipo laut Mitteilung. "Man kann an der Konstruktion wirklich anschaulich erkennen, dass hier eine Reihe von Statuen hergestellt wurden und dort eine weitere Reihe von Statuen."
Die Forschenden wollen das Modell weiter für ihre Arbeit nutzen. Das 3D-Modell ist bereits öffentlich zugänglich und kann über eine Online-Plattform betrachtet werden. "Was wir wirklich gerne tun würden, ist zu sagen: 'Besuchen Sie es selbst. Lernen Sie daraus", sagte Lipo weiter. Menschen auf der Insel hätten Sorge, dass virtuelle Modell Reisen ersetzen könnten. Er gehe hingegen davon aus, dass die Ansicht des vollständigen Steinbruchs eher zur Reise ermutige. Das Modell zeige "eine unglaubliche Landschaft voller Dinge, die man wirklich besuchen könnte und die man sehen möchte".
Die Osterinsel, auch Rapa Nui genannt, ist kleiner als Fehmarn. Sie gehört heute zu Chile, auch wenn dessen Küste etwa 3.500 Kilometer entfernt liegt. Die bekannten Steinskulpturen sind Teil des Unesco-Weltkulturerbes und ziehen jedes Jahr zehntausende Touristen an.