Mignonette
Die "Mignonette" ist nur 16 Meter lang, geeignet für Vergnügungsfahrten entlang der Küste. Am 19. Mai 1884 aber macht sich die Jacht auf den Weg nach Sydney: Ihr neuer Besitzer lässt sie nach Australien überführen. Mitten im Atlantik, 2600 Kilometer nordwestlich des Kaps der Guten Hoffnung, schlägt das Schicksal zu. Eine Welle zertrümmert am 5. Juli das Schanzkleid an Steuerbord. Die vierköpfige Mannschaft besteigt das leichte Rettungsboot, ohne frisches Wasser und nur mit zwei Dosen Rüben als Proviant. Nach einer Woche beginnen die Männer, ihren eigenen Urin zu trinken. Der 17-jährige Kabinenjunge Richard Parker nimmt auch Salzwasser zu sich, wird krank und fällt wohl ins Koma. Am 24. oder 25. Juli entscheiden Kapitän Tom Dudley und Matrose Edwin Stephens, den jungen Mann zu töten. Die drei Überlebenden trinken sein Blut und essen Teile seines Körpers. Wenige Tage später werden sie von einem Segelschiff gerettet. Ein Gericht unter dem Vorsitz von Chief Justice Lord Coleridge (rechts) verurteilt Dudley und Stephens zum Tod, empfiehlt aber die Begnadigung. Schließlich wird die Strafe in sechs Monate Haft verwandelt. "R v Dudley and Stephens" wird bis heute als Präzedenzfall herangezogen und hat Auswirkungen auf die weltweite Rechtssprechung: Notstand rechtfertigt keinen Mord.
© Tom Dudley / University of Chicago Press (li.), Illustrated London News of November 12, 1881 (re.)