
Der Pool-Plauderer: Hoover, der sprechende Seehund
Die Rufe hörten sich an, als würde irgendwo ein heiserer alter Seemann herumpöbeln: "Hey! Get outta there!" Doch was der US-amerikanische Neurowissenschaftler Terrence Deacon und seine Frau im Sommer 1984 bei einem Spaziergang am Bostoner Hafen vernahmen, stammte von einem völlig anderen Urheber: Im Wasser des nahen Bostoner Aquariums dümpelte ein Seehund. Und rief recht laut und eindeutig, man möge verschwinden. Von den Mitarbeitern des Aquariums erfuhr Deacon, dass der Seehund als verwaistes Baby mehrere Monate von einem Fischer namens George Swallow aufgezogen worden war. Weil das Tier Futter im Rekordtempo vertilgte, taufte Swallow es "Hoover", wie die Staubsaugermarke. Regelmäßig bekam Hoover von Swallow zu hören: "Hey you! Get outta there!" Als Hoover zu groß für Swallows Badewanne und Gartenteich wurde, kam er ins Bostoner Aquarium (oben Swallow und Hoover im Jahr 1971). Dort fiel einem Tierpfleger auf, dass der Seehund unter anderem "Hoover" sagte und mit einem abgehackten "Ha, ha, ha!" ein Lachen imitierte. Seine Stimme und sein Akzent klangen dabei fast genau wie Swallows. Hoover war der erste bekannte "sprechende" Seehund. Terence Deacon ließ das Tier von einem Studenten beobachten, jedoch konnte kein Beweis dafür erbracht werden, dass Hoover wusste, was er sagte. Viel wahrscheinlicher schien, dass das Tier lediglich Laute seiner ersten Bezugsperson nachahmte. Warum aber sprechen dann nicht viel mehr Seehunde, die auch in Gefangenschaft aufwachsen? Deacon vermutet, dass Hoover einen Gehirnschaden, verursacht durch eine Infektion, erlitten hatte – und erst dadurch die Fähigkeit zur Sprachimitation entwickeln konnte. Von Hoovers sechs in menschlicher Obhut aufgewachsenen Nachkommen konnte jedenfalls keiner auch nur ein Wort äußern. Hoovers Enkel Chucky allerdings gurgelt manchmal etwas, das man mit viel gutem Willen für ein "How are you?" halten könnte.
© Bill Ryerson/The Boston Glob / Getty Images