Ob im Stadtpark, auf ländlichen Wiesen oder im Wald: Nahezu überall finden sich nahrhafte und wohlschmeckende Gewächse. Gänseblümchen, Labkraut und Spitz-Wegerich sind in den Augen vieler Köche längst mehr als nur unscheinbares Grün, und vermeintliches Unkraut wie Brennnesseln, Löwenzahn, Giersch und Disteln tun sie keineswegs als unnütz ab.
All diese und viele weitere Pflanzen sind essbar – und können den Speiseplan durchaus bereichern. Sie bieten eine Fülle interessanter Aromen, viele von ihnen lassen sich leicht zubereiten.
Hinzu kommt: Oft enthalten die Gewächse aus der Natur deutlich mehr Vitamine und Mineralstoffe als Obst und Gemüse aus dem Supermarkt.
Essbare Wildpflanzen für Einsteiger
Doch häufig übersehen Konsumenten die Vielfalt der Flora vor unserer Haustür. Den meisten Menschen fehlt heute auch das Wissen um die schmackhaften Blätter, Stängel, Blüten und Früchte. Sie fürchten, versehentlich Giftiges zu ernten oder Schadstoffe oder Krankheitserreger mit aufzunehmen.
Und so sind Mangos aus Brasilien oder Avocados aus Südafrika heute etwas Selbstverständliches in unseren Küchen, während die vielerorts in Gärten wuchernde Vogelmiere oder der als Unkraut verschriene Portulak als exotische Speisen gelten, deren Ernte und Zubereitung man nur ausgewiesenen Pflanzenexperten zutraut.
Dabei sind die ersten Schritte in die Welt der heimischen Wildpflanzen-Aromen ganz einfach. Denn man muss sich keineswegs mit sämtlichen der mehr als 9000 Pflanzenarten befassen, die in Deutschland wachsen, oder die Eigenschaften von Dutzenden Gewächsen studieren.
Wer zum ersten Mal eine der Köstlichkeiten aus der Natur probieren möchte, fängt idealerweise mit einer oder zwei jener Wildpflanzen an, die als Unkräuter verrufen sind und die jedes Kind kennt: Brennnesseln etwa oder Löwenzahn.
Verkannte Delikatessen auf den Grünflächen der Stadt
Sie sind leicht zu erkennen, können nahezu überall geerntet und daheim zu einem würzigen Salat verarbeitet werden, dessen angenehm leichte Bitternote ein wenig an Spinat und Chicorée erinnert.
Dazu muss man nur einige Triebspitzen der Brennnessel mit einem Nudelholz durchwalken – damit sie nicht mehr brennen – und sie mit den Blüten und Blättern des Löwenzahns vermischen.
Anschließend kann man sein Repertoire als Sammler dann langsam Pflanze für Pflanze erweitern. Wer sich ein wenig mit dem Thema befasst, wird Wiesen, Wälder und Parks bald mit ganz anderen Augen sehen.
So lassen sich auf Grünflächen in der Stadt verkannte Delikatessen wie Eicheln, Kornelkirschen und verschiedene Beeren finden, aus denen sich überraschend vielseitige Speisen komponieren lassen.
Manche Arten, wie etwa Giersch oder Bärlauch, besiedeln so große Flächen, dass schon bei einem einzigen Ausflug eine gute Ernte eingebracht werden kann.
Wildpflanzen nicht an viel befahrenen Straßen sammeln
Die besten Orte, um Wildpflanzen zu sammeln, liegen freilich jenseits der Stadtgrenzen, draußen in der Natur. Rotklee wächst beispielsweise auf mageren Weiden, Wiesen-Bärenklau gedeiht an Weg- und Waldrändern und Sauerdorn an vielen Hecken.
Und solange man nur geringe Mengen für den Eigenbedarf erntet, ist das Pflücken wildlebender Pflanzen an öffentlichen Orten erlaubt. Verboten ist dies aber in Naturschutzgebieten und bei besonders geschützten Arten.
Wer darüber hinaus ein paar Vorsichtsmaßnahmen beachtet, muss sich auch um seine Gesundheit keine Sorgen machen. So empfiehlt es sich, nicht in unmittelbarer Nähe viel befahrener Straßen zu sammeln – was dort wächst, ist oft mit Feinstaub und Reifenabrieb belastet.
In der Nachbarschaft konventionell bewirtschafteter Felder können Pflanzen zudem mit Spritz- und Düngemitteln verunreinigt sein. Davon abgesehen sind wildlebende Gemüse und Früchte aber höchst selten mit Schadstoffen belastet.
Manch einer schreckt allerdings aus einem anderen Grund vor dem Sammeln zurück: wegen der Sorge, mit den Pflanzen womöglich Krankheitserreger aufzunehmen.
Am häufigsten wird dabei der Kleine Fuchsbandwurm genannt, ein wenige Millimeter langer Parasit, der im fortpflanzungsfähigen Stadium zwar meist in Füchsen lebt, aber über das versehentliche Schlucken oder Einatmen infektiöser Eier auch auf den Menschen übertragen werden kann und dann oft schwere Organschäden verursacht.
Nur mitnehmen, was man zweifelsfrei erkennt
Wer bodennah wachsende Pflanzen und Beeren sammelt, könnte demnach theoretisch Wurmeier aufnehmen, die an ihnen haften. Aus medizinischen Studien und Statistiken geht allerdings hervor, dass die Möglichkeit einer Infektion über die Nahrung bisher nicht eindeutig bewiesen werden konnte. Wer ganz sicher gehen will, wäscht die geernteten Pflanzenteile vor der Verarbeitung gründlich ab oder erhitzt sie.
Und auch das versehentliche Sammeln giftiger Gewächse, die dritte potenzielle Gefahr, lässt sich ganz einfach bannen. Denn die wichtigste Regel beim Pflücken lautet: nur mitzunehmen, was man zweifelsfrei erkennt.
Ein Buch über Wildpflanzen hilft, die Gewächse anhand eindeutiger Eigenschaften richtig zu bestimmen – und Arten, bei denen eine Verwechslungsgefahr besteht, unbekömmliche oder gar giftige Pflanzen zu meiden.
Mancherorts werden auch Sammelspaziergänge angeboten, bei denen ein Experte seinem Publikum das essbare Wildobst und -gemüse auf Wald und Wiese erklärt.
Wer sich auf diese Weise einen zunehmend größeren Erfahrungsschatz aneignet, der verfügt auch in der Küche nach und nach über ein immer größeres Wissen zu jenen Gerichten, die man mit wild wuchernden Zutaten herstellen kann.
Hagebutten für die Pastasauce
Rund 120 ausgesprochen wohlschmeckende Wildpflanzenarten gibt es in Deutschland zu entdecken – und mit ihnen neue Geschmacksrichtungen, die in keinem Supermarkt zu finden sind.
Die jungen Blätter und ganz jungen Blütenknospen des Spitz-Wegerichs etwa entwickeln beim Dünsten ein herzhaft-erdiges Aroma, das stark an Pilze erinnert. Herb-süße Hagebutten sind eine hervorragende Grundlage für eine fruchtige Pastasauce. Und aus den gerösteten Samen des Breit-Wegerichs lässt sich ein gesunder, nussig schmeckender Brotaufstrich herstellen.
Häufig genügen auch schon einzelne wilde Zutaten, um bekannten Speisen eine neue Geschmacksnuance zu geben. Die jungen Blätter des Großen Sauerampfers etwa verleihen Soßen, Suppen und Eintöpfen eine besondere, säuerliche Note.
Die Blüten und Knospen des Ferkelkrauts, dessen Aussehen ein wenig an Löwenzahn erinnert, schmecken leicht nach Erbsen und lassen sich gut über Salate und Butterbrote streuen.
Manchem Erntegut wie etwa Holunderbeeren kann man den Wohlgeschmack allerdings nur mit Tricks entlocken: In rohem Zustand schmecken sie unangenehm sauer und reizen den Magen – erst gekocht sind sie bekömmlich und entwickeln ein fruchtig-herbes Aroma, ideal etwa für Konfitüre oder Liköre.
Brennnessel ist ein wahres Supergemüse
Etliche Wildpflanzen enthalten zudem viele gesunde Substanzen. Denn sie müssen sich ganz allein in der Natur behaupten. Diese Widerstandskraft schlägt sich in ihrem Nährstoffgehalt nieder, sie enthalten oft deutlich mehr Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente als Lebensmittel vom Discounter.
Die Brennnessel etwa ist ein wahres Supergemüse: Sie birgt mehr Magnesium, Kalzium, Vitamin C und Provitamin A als Spinat oder Kopfsalat. Auch das unscheinbare Gänseblümchen kann mit seinem hohen Kalzium- und Kalium-Gehalt zu einer gesunden Ernährung beitragen. Giersch liefert besonders viel Eiweiß, Löwenzahn außergewöhnlich viel Vitamin C.
Wer den geringen Aufwand nicht scheut, die Ausflüge in Wald und Flur genießt und sich auf das einlässt, was die Natur an üppiger Farbenpracht, an Geschmackserlebnissen und Nährstoffen zu bieten hat, der wird seinen Tisch bald reich decken können: mit Mispelchutney und Gänsedistel-Gemüse, mit Brot aus Eichelmehl, Suppe aus Wasserlinsen und Smoothies vom Kraut der Wilden Möhre.
Es ist eine Bereicherung für die Sinne, eine Wohltat für den Körper und eine Entlastung für den Geldbeutel. All diese Pflanzen wachsen aus eigener Kraft und bringen ohne Dünger schmackhafte Früchte, Blüten und Blätter hervor. Ein Geschenk der Natur.
Wir müssen nur zugreifen.
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