
Der Fluch der Moderne
Dass die Fitnessbewegung gerade in der Zeit um 1900 spürbar anwächst, hängt mit historischen Umwälzungen von epochalem Zuschnitt zusammen. Die Industrialisierung packt die westlichen Gesellschaften im Mark, Arbeit beinhaltet für Millionen nun zunehmend einseitige, immer gleiche Handgriffe in den Fabriken oder stundenlanges Sitzen an den Schreibtischen der Verwaltungen. In den wachsenden Städten leben viele Menschen in engen, schlecht belüfteten Räumlichkeiten. Die Gesundheit leidet darunter, zugleich wächst die Angst, dass die Körper immer weiter verkümmern könnten. Und so wirkt der Sport, von Mahnern propagiert, wie eine Art Gegengift gegen die Folgen der Moderne. Kaum einer bemüht diese Argumentation so energisch und geschäftstüchtig wie der US-Amerikaner Bernarr Macfadden, der mit unzähligen Büchern, Zeitschriften und eigenen Trainingseinrichtungen in dieser Zeit ein Imperium aufbaut. Sein fast absurd zugespitztes Motto "Weakness is a crime" ("Schwäche ist ein Verbrechen") trifft damals vor allem bei Männern einen Nerv, deren Selbstbild in jener Umbruchphase besonders gestört scheint. Auf diesem Foto allerdings leitet Macfadden im Jahr 1922 eine Gruppe von weiblichen Angestellten bei leichten Gymnastikübungen am Arbeitsplatz an.
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