Schon geringe Mengen reichen, um Menschen ernsthaft krank zu machen: Blei kann zu Unfruchtbarkeit, Anämie, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs führen. Besonders bei Ungeborenen, Säuglingen und Kleinkindern wirkt sich das giftige Schwermetall fatal aus: Es kann das Nervensystem schädigen, die Blutbildung beinträchtigen – und der Intelligenzentwicklung schaden.
Blei ist überall: in der Atemluft, im Boden, in der Nahrung, im Trinkwasser, sogar in der Muttermilch. Es steckt etwa in alten Farben, im Tabakrauch, in uralten Bleileitungen und lange Zeit in Autoabgasen aus verbleitem Benzin. Im Körper lagert es sich mitunter in Knochen, Muskeln und im Gehirn ab und wird dort über Jahre gespeichert und allmählich freigesetzt.
Zwei bis drei IQ-Punkte weniger
Forscher des Desert Research Institute (DRI) in Nevada haben nun in einer aktuellen Studie nachgewiesen, dass bereits zur Zeit der Römischen Republik die Bleibelastung so hoch war, dass sie den IQ-Wert der europäischen Bevölkerung um mindestens zwei bis drei Punkte verringerte. "Das hört sich nicht nach viel an, aber wenn man das auf die gesamte europäische Bevölkerung anwendet, ist es eine ziemlich große Sache", so Studienmitautor Nathan Chellman, Assistenzprofessor am DRI.
Für ihre Studie untersuchten die Wissenschaftler mehrere Eiskernproben aus der Arktis, die Rückschlüsse auf die Zeit zwischen 500 vor und 600 nach Christus zulassen. Diese Epoche umspannt den Aufstieg der Römischen Republik bis zum Fall des Römischen Reichs; die Studie konzentrierte sich auf die etwa 200-jährige Blütezeit, die "Pax Romana" (ca. 27 v. Chr. bis etwa 200 n. Chr.).
Verursacher der damaligen Bleibelastung in der Atmosphäre waren Bergbau- und Verhüttungsbetriebe in ganz Europa. Vor allem im Silberbergbau wurde das bleihaltige Mineral Galenit eingeschmolzen, um so das enthaltene Silber zu gewinnen. Für jede gewonnene Unze Silber, so die Forscher um Studienleiter Joe McConnell, fielen bei diesem Prozess Tausende Unzen Blei an, von denen große Teile in die Atmosphäre gelangten.
Die Studie ergab außerdem, dass die Bleiverschmutzung der Atmosphäre bereits während der Eisenzeit begann, dann im späten 2. Jahrhundert v. Chr., während der Krise der Römischen Republik, stark zurückging, bevor sie um 15 v. Chr. mit dem Aufstieg des Römischen Reiches wieder anstieg.
Die Bleibelastung blieb bis zur Antoninischen Pest von 165 bis 180 n. Chr. hoch, mutmaßlich eine Pockeninfektion, die ein jahrelanges Massensterben auslöste und das Römische Reich schwer in Mitleidenschaft zog. Erst im Hochmittelalter, zu Beginn des zweiten Jahrtausends n. Chr., überstieg die Bleiverschmutzung in der Arktis die anhaltend hohen Werte des Römischen Reiches.
Eiskerne sind "Postkarten" von vorgestern
Die Hunderte Meter langen Eisbohrkerne, die Professor McConnell und sein Team für ihre Studie untersuchten, fungierten wie "Postkarten aus der Vergangenheit", so die Forscher. Gut dokumentierte Vulkanausbrüche etwa hatten ihre Spuren im Eis hinterlassen und halfen so bei der Datierung anderer Ereignisse. Im Eis eingeschlossene Gasblasen gaben Aufschluss über die Atmosphäre vergangener Epochen.
Und so zeigen die Eiskerndaten auch, dass die Bleibelastung in der Arktis in den frühen 1970er-Jahren ihren historischen Höchststand erreichte. Damals lag sie 40-mal höher als zur Zeit des Römischen Reichs – und stammte hauptsächlich aus den Emissionen von Fahrzeugen, die mit verbleitem Benzin fuhren.
Eine Erkenntnis, die zeigt, wie "der Mensch seine Gesundheit seit Tausenden von Jahren durch industrielle Aktivitäten beeinflusst hat", sagt McConnell.