Die Seekuh hat keine Chance. Erst rammt ihr ein Krokodil seine Zähne in den Leib, schnappt immer wieder zu, verbeißt sich in sein Opfer. Dann riecht ein Hai das Blut im Wasser – und fällt ebenfalls über das Säugetier hier.
Festgehalten ist der Todeskampf auf Millionen Jahre alten fossilen Überresten der Seekuh: Im Nordwesten Venezuelas in der sogenannten Agua-Clara-Formation hatte ein Bauer einen ungewöhnlichen Felsen gemeldet – in dem Forschende schließlich Teile von Seekuh-Schädeln und mehr als ein Dutzend Wirbel sicherstellten.
Das Fossil ist zwischen 11,6 und 23 Millionen Jahre alt
Ein internationales Team um den Paläontologen Aldo Benites-Palomino von der Universität Zürich hat die Fossilien nun analysiert: Demzufolge stammen die Überreste der Urzeit-Seekuh aus dem frühen bis mittleren Miozän und sind zwischen 11,6 und 23 Millionen Jahre alt, heißt es in der Studie, die im "Journal of Vertebrate Paleontology" erschienen ist.
Bei der Untersuchung stellten sich die Knochenreste schnell als Glücksfall für die Wissenschaft heraus: Die Fossilien dokumentieren, wie ein Säugetier Opfer von gleich zwei Angreifern wurde. "Heutzutage beobachten wir oft, dass Kadaver, die von Raubtieren erbeutet werden, von anderen Tieren gefressen werden – aber fossile Beweise für dieses Verhalten sind selten", erklärte Benites-Palomino.
Punktförmige Verletzungen auf den Knochen identifizierten die Forschenden als Attacken eines Krokodils. Lange, schmale Einschnitte deuteten sie dagegen als Hai-Angriff. Tatsächlich konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sogar einen Tigerhai-Zahn am Halsbereich der Seekuh bergen.
Das Team um Aldo Benites-Palomino geht davon aus, dass zunächst das Krokodil Jagd auf die Seekuh machte. Die Schnauze der Seekuh weist tiefe Bissspuren auf. "Vermutlich hat das Raubtier versucht, die Seekuh an der Schnauze zu packen und zu ersticken", schreiben die Forschenden.
 
    Die Verletzungen zeigten, wie das Krokodil an seinem Opfer zerrte und riss. Möglicherweise setzte das Raubtier zur berüchtigten "Todesrolle" an: Dabei verbeißen sich Krokodile in ihre Opfer, halten sie mit den Zähnen fest und drehen sich mehrfach schnell um die eigene Achse, um die Beute zu zerstückeln. Was von der Seekuh übrig blieb, wurde vom Tigerhai gefressen.
"Unsere Ergebnisse bieten einen seltenen Einblick in komplexe Raubtier-Beute-Beziehungen und sind einer der wenigen Belege dafür, dass sich mehrere Raubtiere von derselben Beute ernährten", heißt es in der Studie. Gleichzeitig sehen die Forschenden einen Hinweis auf die Bedeutung von Seekühen in der prähistorischen Nahrungskette. Schließlich weise deren Fettgewebe einen hohen Nähstoffgehalt auf. Vor allem die Kälber sind bis heute eine begehrte Beute von Haien und Krokodilen.
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