Jahrelang passte nicht so recht zusammen, was Paläontolog*innen in der Nähe des Dörfchens Elgol im Süden der Atlantikinsel Skye fanden. Immer wieder stießen sie hier, im rauen schottischen Hochland, bei Grabungsarbeiten auf seltsame Fossilien: Kieferknochen, die an jene heutiger Schlangen erinnern – und direkt daneben versteinerte Knochen, die zu Geckos passten. Die Fossilien waren nicht vollständig, es schien möglich, dass die beiden Arten vor Jahrmillionen Seite an Seite lebten. Doch dann wurde im Jahr 2015 ein vollständiges Fossil entdeckt und jahrelang bis ins kleinste Detail untersucht. Nun steht fest: Die gefundenen Knochen stammen von ein und demselben Tier, einer völlig unbekannten Art, einem Mischwesen aus Schlange und Echse.
Ein Team aus Paläontologinnen und Paläontologen des American Museum of Natural History, der National Museums Scotland und anderer Forschungseinrichtungen hat das 167 Millionen Jahre alte Fossil zehn Jahre lang untersucht und seine Ergebnisse nun im Fachmagazin "Nature" veröffentlicht. Obwohl die fossilen Knochen ungeordnet waren, fügen sie sich perfekt zusammen und können eindeutig einem Individuum zugeordnet werden, das Merkmale einer Schlange und einer Echse vereint. Breugnathair elgolensis tauften die Forschenden die neu entdeckte Spezies. Der Name bedeutet auf Gälisch "falsche Schlange von Elgol" und verweist auf das schottische Dorf, in dessen Nähe das Fossil gefunden wurde.
Das eigenartige Tier hatte einen schlangenartigen Kiefer mit stark gekrümmten Zähnen, wie sie auch heute noch bei Pythons zu finden sind. Proportionen und Gliedmaßen erinnerten dagegen eher an eine Eidechse. Mit einer Körperlänge von rund 40 Zentimetern war Breugnathair elgolensis eine der größeren Echsen der damaligen Zeit. Vermutlich ernährte sich das räuberische Reptil von kleineren Echsen, frühen Säugetieren und jungen Dinosauriern. Mindestens neun Jahre lang, so zeigen es die Wachstumsringe in den fossilen Knochen des Tiers, machte es die Gegend unsicher.
Das fehlende Puzzleteil
"Schlangen sind bemerkenswerte Tiere, die sich aus echsenartigen Vorfahren zu Tieren mit langen Körpern ohne Gliedmaßen entwickelt haben. Breugnathair hat schlangenähnliche Merkmale an Zähnen und Kiefern, ist aber in anderer Hinsicht überraschend primitiv", sagt der Hauptautor der Studie, Roger Benson vom American Museum of Natural History, in einer Mitteilung. "Das könnte darauf hindeuten, dass die Vorfahren der Schlangen ganz anders waren, als wir erwartet hatten."

Eigentlich, so glaubte man bislang, sind Echsen und Schlangen nur entfernt verwandt. Beide gehören zu den Schuppenkriechtieren, den Squamata, die vor etwa 190 Millionen Jahren entstanden, sich dann aber auseinander entwickelten. Und während beispielsweise Leguanartige und Geckoartige ihre Beine behielten, verkürzten die Urformen der heutigen Schlangen ihre Beine zunächst und verloren sie schließlich ganz. Das nun gefundene Fossil aus der mittleren Jurazeit könnte diese Annahmen ins Wanken bringen.
Breugnathair wird einer neuen Familie zugeordnet, den Parviraptoridae, einer "rätselhaften Gruppe ausgestorbener räuberischer Squamaten", wie die Forschenden schreiben. Deren Existenz hatten einige Forschende bereits vermutet, mangels vollständiger Fossilien konnten sie ihre Annahme jedoch nicht beweisen. Das jetzt untersuchte Fossil zeigt erstmals, dass die Parviraptoriden verschiedene Merkmale kombinierten, die sie von allen heute lebenden Reptiliengruppen unterscheiden.
"Die jurassischen Fossilienvorkommen auf der Isle of Skye sind für das Verständnis der frühen Evolution vieler Lebewesen von weltweiter Bedeutung – darunter auch Echsen, die sich zu dieser Zeit zu diversifizieren begannen", sagt Studien-Co-Autorin Susan Evans vom University College London. "Ich habe Parviraptoriden vor etwa 30 Jahren anhand von fragmentarischem Material erstmals beschrieben. Jetzt ist es, als würde man viele Jahre, nachdem man das ursprüngliche Bild quasi blind aus einer Handvoll Teilen zusammengesetzt hat, den Deckel der Puzzledose mit dem vollständigen Motiv finden."
Ob Breugnathair tatsächlich ein Vorfahre der Schlangen ist, eine Urschlange mit Beinen, lässt sich anhand des Fundes nicht klären. Denkbar ist auch, dass einige Echsen unabhängig von den Schlangen schlangenartige Zähne und Kiefer entwickelt haben. "Aber das Mosaik aus primitiven und spezialisierten Merkmalen, das wir bei Parviraptoriden wie diesem neuen Exemplar finden, erinnert uns daran, dass Evolutionswege unvorhersehbar sein können", sagt Evans.