Die Gletscher der Erde schmelzen immer schneller. Allein seit der Jahrtausendwende haben die Eisriesen etwa fünf Prozent ihrer Masse eingebüßt. Schuld daran ist jedoch nicht nur der globale Temperaturanstieg. Ein Teil der Eisschmelze ist auf winzige Algen zurückzuführen, die die Oberfläche der Gletscher besiedeln.
Der Effekt ist auch als Albedo bekannt: Helle Materialien reflektieren die kurzwellige Strahlung der Sonne in die Atmosphäre, während dunklere sie absorbieren und sich dadurch erwärmen. Im Alltag zeigt sich das Phänomen etwa dadurch, dass sich schwarze Lack-Oberflächen in der Sommersonne extrem aufheizen, während weiße vergleichsweise kühl bleiben.
Ein Team des Max-Planck-Instituts für Marine Biologie Bremen und der dänischen Universität Aarhus hat nun in Grönland untersucht, wie stark die Erwärmung durch die mikroskopisch kleinen Eis-Algen ist – und wie die Organismen es überhaupt schaffen, in einer lebensfeindlichen und nährstoffarmen Umgebung zu wachsen.
"An der Westküste Grönlands wird schon heute etwa ein Zehntel der Eisschmelze durch die mikroskopisch kleinen Bewohner verursacht", sagt Laura Halbach, die Erstautorin der Studie, in einer Presseerklärung. "Zum Teil verdunkeln sie die Gletscheroberfläche so stark, dass dies sogar auf Satellitenaufnahmen zu sehen ist."
Überlebenskünstler im "ewigen" Eis
Um herauszufinden, wie die widerstandsfähigen Algen überleben und wachsen, analysierte das Forschungsteam erstmals ihre Nährstoffaufnahme und -speicherung auf Zellebene. "Unsere Ergebnisse zeigen", sagt Halbach, "dass die Algen schnell wachsen können, obwohl vor Ort kaum Nährstoffe vorhanden sind. Stattdessen können sie anorganischen Stickstoff effizient aufnehmen und Phosphor gut speichern." Auf diese Weise gelingt es den mikroskopischen Algen, frei werdende Bereiche der Eisoberfläche ohne zusätzliche Nährstoffe schnell zu besiedeln.
Die Forschenden hoffen nun, dass die im Fachmagazin "Nature Communications" veröffentlichten Ergebnisse die Modelle zur Vorhersage der Eisschmelze – und des Meeresspiegelanstiegs – präziser machen.
Es sind aber nicht nur Algen, die die Eisflächen der Erde verdunkeln und sie schneller schmelzen lassen. Zur Erwärmung tragen zum Beispiel auch Rußpartikel aus der Seeschifffahrt bei. Forschende haben errechnet, dass jeder Tourist, jede Touristin an Bord eines Kreuzfahrtschiffes in der Antarktis umgerechnet für das Abschmelzen von 83 Tonnen Schnee verantwortlich ist.
Der grönländische Eisschild ist für den Anstieg des Meeresspiegels besonders bedeutsam. Berechnungen zufolge würde allein das Abschmelzen dieser einen Eismasse zu einem Anstieg von rund sieben Metern führen.
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