Die Pole der Erde speichern den größten Teil des Eises auf unserem Planeten. Doch die kilometerdicken Eispanzer schmelzen im Klimawandel. Und der Meeresspiegelanstieg, mit verheerenden Auswirkungen auf das Leben an den Küsten weltweit, ist nur eine von vielen dramatischen Konsequenzen.
Was also tun? Wäre es nicht möglich, die Eismassen vor dem Auftauen zu bewahren, sie irgendwie gezielt herunterzukühlen oder vor Sonneneinstrahlung und warmen Wassermassen abzuschirmen? Ja, sagen Forscher (es sind meist Männer). Und schlagen gleich mehrere Lösungen vor. Fünf der am häufigsten diskutierten hat nun ein Wissenschaftsteam unter die Lupe genommen:
- So könnte man die Atmosphäre mit chemischen Substanzen, zum Beispiel Sulfat, "impfen", die das Sonnenlicht reflektieren.
- Am Meeresboden verankerte Vorhänge könnten warme Meeresströmungen in den Polregionen unterbrechen.
- Auf die Eisflächen gepumptes Meerwasser könnte die Bildung von neuem Eis anregen, Glaskügelchen könnten die Sonnenstrahlen reflektieren.
- Schmelzwasser unter den Eisflächen abzupumpen könnte den Eisfluss verlangsamen, also das Abwandern der Gletscher ins Meer.
- Eine Düngung der Meere mit Eisen würde die Bildung von Algen anregen – die ihrerseits Kohlenstoff aus der Atmosphäre binden, um damit auf den Meeresgrund zu sinken.
Jeden dieser Klimahacks klopften die Forschenden auf seine Umsetzbarkeit ab – sowohl unter Gesichtspunkten der technischen Machbarkeit wie des internationalen Rechts –, auf seine zu erwartende Wirksamkeit, die Kosten und mögliche negative Auswirkungen auf Mensch und Natur. Das Ergebnis der Studie, das die Forschenden im Fachmagazin "Frontiers in Science" vorstellen, fällt ernüchternd aus.
Denn keine der untersuchten Ideen, so schreiben die Forschenden, sei ausreichend unter realen Bedingungen erprobt. Für einen Unterwasservorhang und Maßnahmen, die das Eis vor Sonneneinstrahlung schützen sollen, fehle jegliche Feldforschung. Für Sulfatinjektionen in die Atmosphäre lägen bislang nur Computersimulationen vor. Und Experimente zur Eisendüngung seien zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen. Auch die Entfernung von Schmelzwasser unter dem Gletscher sei bisher nur im Rahmen von wenigen Bohrungen erforscht.
All das scheint kaum verwunderlich. Denn die Polregionen sind überwiegend schwer zugänglich – und bieten wohl eines der härtesten Arbeitsumfelder der Erde, wie die Autoren und Autorinnen betonen.
Machbarkeit und Risiken falsch eingeschätzt
Während die Machbarkeit polarer Kühl-Hacks offenbar überschätzt wird, sieht das Forschungsteam mögliche negative Konsequenzen für Menschen und Umwelt für alle der fünf untersuchten Ideen. Besonders kritisch: die reflektierenden Glaskügelchen, die, einmal in der Umwelt, kaum wieder einzusammeln sein dürften. Schmelzwasserpumpen dagegen würden eine enorme technische Infrastruktur erfordern – und große Mengen CO2 freisetzen. Unterwasservorhänge würden Lebensräume zerschneiden – mit Auswirkungen auf Wale, Robben und Seevögel. Sulfat in der Atmosphäre könne, so die Forschenden, die Ozonschicht schädigen und unerwünschte Klimaveränderungen zur Folge haben. Für die Ozeandüngung sei zudem unklar, welche Meeresorganismen profitieren und welche das Nachsehen hätten, sollte die Technik im großen Stil angewendet werden.
Rechtlich stünden allen fünf Ideen geltende Bestimmungen entgegen. So würde etwa die Meeresdüngung mit Eisen Stand heute als Meeresverschmutzung angesehen. Neue, internationale Regelwerke und Verträge müssten verhandelt und abgeschlossen werden – was Jahre dauern könnte.
Und noch eine Gefahr sehen die Forschenden: Dass die Ideen von all denjenigen aufgegriffen und promotet werden, die an raschen Emissionsminderungen gar kein Interesse haben.
"Die Forschung kann zwar dazu beitragen, die potenziellen Vorteile und Gefahren von Geoengineering zu klären", sagt die Glaziologin Dr. Heïdi Sevestre, Co-Autorin der Studie, in einer Pressemitteilung. "Aber es ist entscheidend, dass wir sofortige, evidenzbasierte Klimaschutzmaßnahmen nicht durch noch unerprobte Methoden ersetzen."
Und warnt, wohl auch mit Blick auf die kommende Klimakonferenz in Brasilien: "Diese Ansätze dürfen vor allem nicht von der dringenden Priorität ablenken, Emissionen zu reduzieren und in bewährte Klimaschutzstrategien zu investieren."