Gefahr im Permafrost Forschende erwecken jahrtausendealte Mikroben zum Leben

Gefrorener Untergrund: Der Noatak River im Nordwesten Alaskas hat eine mehrere Meter dicke Schicht Permafrostboden freigelegt
Gefrorener Untergrund: Der Noatak River im Nordwesten Alaskas hat eine mehrere Meter dicke Schicht Permafrostboden freigelegt
© Fredrik Norrsell, Danita Delimont / Alamy Stock Photos / mauritius images
Eine neue Studie zeigt: Kleinstlebewesen können Jahrtausende in gefrorenem Boden überdauern. Das ist keine gute Nachricht für das Klima

Was passiert, wenn der Permafrost taut, ist eine der spannendsten Fragen zur Zukunft des Klimasystems. Denn das Gemisch aus Erde, Fels und Eis bedeckt fast ein Viertel der Erdoberfläche der Nordhalbkugel – und es enthält Gigatonnen von organischem Material. Taut es auf, könnte es von Mikroben zersetzt werden und als Kohlenstoffdioxid (CO2) und Methan in die Atmosphäre gelangen. Wo es den Klimawandel weiter anheizt.

Noch gibt es rund um das Thema viele Unsicherheiten. Doch eine neue Studie aus den USA liefert nun einen weiteren Grund zur Besorgnis. Demnach könnten metertief im Untergrund konservierte Mikroben bei steigenden Temperaturen "aufwachen" und ihren verhängnisvollen Stoffwechsel wieder aufnehmen.

Für seine Studie nutzte das Team eine weltweit einzigartige Forschungseinrichtung, den Permafrost-Forschungstunnel der US-Army nahe Fairbanks im Herzen Alaskas: einen Tunnel von mehr als 100 Meter Länge in einer Tiefe von 15 Metern. Die Station bietet der Wissenschaft einen Blick in das Erdzeitalter des Pleistozän, zwischen 129.000 und 11.700 Jahren vor unserer Zeit.

"Es riecht wirklich übel"

"Das Erste, was einem auffällt, wenn man dort hineingeht, ist, dass es wirklich übel riecht", berichtet Tristan Caro vom California Institute of Technology, der Erstautor der Studie, in einer Presseerklärung. "Es riecht wie ein muffiger Keller, der viel zu lange nicht gelüftet wurde." Für Mikrobiologen sei das "sehr spannend", denn markante Gerüche seien oft mikrobiellen Ursprungs.

Das Team entnahm aus der Tunnelwand Proben mit einem Alter zwischen einigen und mehreren Zehntausend Jahren, vermischte sie mit Wasser und lagerte sie bei Temperaturen von minus vier, plus vier und zwölf Grad Celsius ein. Das zugesetzte Wasser hatten die Forschenden zuvor mit Deuterium, ungewöhnlich schweren Wasserstoffatomen angereichert – um so nachvollziehen zu können, wie die Mikroben das Wasser aufnehmen und in ihre Zellmembranen einbauen.

Sprunghaftes Wachstum nach sechs Monaten

In den ersten Monaten wuchsen die Kulturen kaum, doch nach etwa einem halben Jahr änderte sich das schlagartig: Die Kulturen bildeten sogar einen mit bloßem Auge sichtbaren Film. Der sei für Menschen vermutlich nicht gesundheitsschädlich, schreiben die Forschenden. Vorsorglich hielten sie ihre Kulturen dennoch unter Verschluss.

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© Video: GEO

Die Ergebnisse könnten, so heißt es in der Studie, Lehren für das Auftauen von Permafrost in der realen Welt liefern: So könne es nach einer Hitzewelle mehrere Monate dauern, bis Mikroben so aktiv werden, dass sie beginnen, große Mengen Treibhausgase in die Luft abzugeben.

Zwar gilt der tauende arktische Permafrost heute nicht mehr als Kippelement: Die meisten Forschenden halten eine unkontrollierte, sich selbst verstärkende Erwärmung infolge des Auftauens inzwischen für ausgeschlossen. Zudem stellen die Studienautorinnen und -autoren die Tragweite ihrer Versuche selbst unter einen Vorbehalt: Es handle sich nur um Proben aus einem einzelnen Untersuchungsgebiet. An anderen Stellen könnten Mikroben auch anders reagieren.

Dennoch warnen sie: Nach einer Hitzewelle könne es mehrere Monate dauern, bis Mikroben so aktiv werden, dass sie große Mengen Treibhausgase in die Atmosphäre abgeben. Soll heißen: Je länger die arktischen Sommer werden, desto größer werden die Risiken für den Planeten.