Interview "Es gibt Klima-Kipppunkte, deren Überschreiten wir nicht mehr verhindern können"

Das Forschungsschiff RRS Sir David Attenborough in der Antarktis
Forschungsschiff "Sir David Attenborough" in der Antarktis: Beim Abschmelzen des Westantarktischen Eisschildes ist möglicherweise schon der Kipppunkt erreicht
© Cover-Images / imago images
Unumkehrbare Kipppunkte im Klimasystem sind gefürchtet – aber der Begriff ist auch umstritten. Der Wissenschaftsjournalist Benjamin von Brackel erklärt, warum. Und was wir heute wissen

GEO: Beim Wort "Kipppunkt" denken vermutlich viele erst mal an ihre Schulzeit. Also an den Moment, in dem der Stuhl beim Kippeln nach hinten kippt ...

Benjamin von Brackel und Toralf Staud: Am Kipppunkt. Wo das Klima zu kollabieren droht – und wie wir uns noch retten können, Verlag Kiepenheuer & Witsch 2025
Benjamin von Brackel und Toralf Staud: Am Kipppunkt. Wo das Klima zu kollabieren droht – und wie wir uns noch retten können, Verlag Kiepenheuer & Witsch 2025
© Kiepenheuer & Witsch

Benjamin von Brackel: Genau darum wollten wir den Stuhl auf dem Cover haben: Wenn wir ihn ganz langsam nach hinten drücken, passiert erst einmal nichts. Dann drücken wir ihn noch ein Stückchen nach hinten. Es passiert immer noch nichts. Aber ab einem bestimmten Punkt reicht ein minimaler weiterer Schubs aus, um eine Eigendynamik in Gang zu setzen – und die Schwerkraft zieht ihn in die andere Richtung. Er wird immer schneller und liegt schließlich auf dem Boden. Genauso ist es auch mit Teilen des Erdsystems. Wenn die Temperatur bestimmte Schwellen überschreitet, können Teilsysteme der Erde kippen: ein sich selbst beschleunigender Prozess, auf den wir wenig oder überhaupt keinen Einfluss mehr haben. In vielen Fällen ist das irreversibel, lässt sich also nicht zurückdrehen.