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Nationalsozialismus Geboren, geraubt, belogen: Die Schicksale der Lebensborn-Kinder

  • von Helena Weise
Der SS-Verein Lebensborn sollte "arischen" Nachwuchs sichern, um jeden Preis. Viele der Kinder erfuhren erst Jahrzehnte später die Wahrheit über ihre Herkunft
Propaganda sei dieses Bild, sagt Gisela Heidenreich. Tatsächlich war ihre Mutter kalt und distanziert. Über ihre NS-Vergangenheit lügt und schweigt sie nach dem Krieg
Propaganda sei dieses Bild, sagt Gisela Heidenreich. Tatsächlich war ihre Mutter kalt und distanziert. Über ihre NS-Vergangenheit lügt und schweigt sie nach dem Krieg
© Angeniet Berkers

Ihre Vorfahren haben sich ein stolzes Andenken errichten lassen. Meterhoch überragt das Kreuz aus braunem Stein die Grabstätte der Familie, am Rand des Bergmannfriedhofs in Berlin. Karin* verzieht keine Miene, als sie nach oben zum Familienwappen schaut. Ihre kurzen roten Haare leuchten in der Sonne. "Da liegt also die Sippschaft", sagt die 84-Jährige. Unter dem Wappen blicken sich, zu Reliefs versteinert, ihre Urgroßeltern an, die Namen in den Marmor graviert. "Ich würde mich hier nicht beerdigen lassen, obwohl das meine Blutsverwandten sind", sagt sie und wendet sich zum Gehen. "Ums Verrecken nicht."

Karin als Kleinkind
Fröhlich lacht Karin in die Kamera, ein Jahr alt und kurz vor der Adoption ins Ruhrgebiet. Sie ist das Ergebnis einer Liebschaft ihrer Mutter mit einem Soldaten, unehelich geboren, doch vom NS-Staat hoch erwünscht
© Angeniet Berkers

Karin ist ein Kind des Lebensborn, aber sie will nicht als solches erkannt werden. "Ich weiß gar nicht, ob ich mich schäme", sagt sie. "Aber ich will nicht schon wieder einen Stempel aufgedrückt bekommen." Es hat Jahrzehnte gedauert, bis sie bereit war, ihre Geschichte zu erzählen. Sie will es nicht bereuen müssen.

Erschienen in GEO 09/2025