Rätselhafte Attacken Orca greift erstmals in der Nordsee an

Schwertwale haben schon zahllose Segelyachten beschädigt, mindestens zwei sind nach Attacken gesunken. Soweit bekannt ist, blieben die Menschen an Bord jedoch durchweg unverletzt
Schwertwale haben schon zahllose Segelyachten beschädigt, mindestens zwei sind nach Attacken gesunken. Soweit bekannt ist, blieben die Menschen an Bord jedoch durchweg unverletzt
© Dominic / Adobe Stock
Schwertwale bedrängten und rammten Sportboote bislang vor allem vor der spanischen Küste. Nun wurde der erste derartige Vorfall aus der schottischen Nordsee bekannt

Unheimliche Begegnung auf hoher See: In der Nähe der Shetland-Inseln hat am Montag dieser Woche ein Orca ein Segelboot bedrängt und mehrfach gerammt. Wie der britische Guardian berichtet, befand sich der 72-jährige Skipper Wim Rutten mit seiner sieben Tonnen schweren Yacht allein auf dem Weg von Lerwick, der Hauptstadt der Inselgruppe, nach Bergen in Norwegen.

Der pensionierte Physiker und erfahrene Segler habe gerade nach Makrelen geangelt, als der Schwertwal auftauchte – und das Heck der Yacht rammte. Immer wieder sei das Tier gegen die Aluminiumhülle des Boots geschwommen, die Erschütterungen seien deutlich spürbar gewesen.

Besonders habe Rutten das "sehr laute" Atmen des Tieres beunruhigt. Der Orca habe sich hinter dem Boot gehalten, sei verschwunden, dann mit großer Geschwindigkeit wieder aufgetaucht und das Boot umkreist. Der Skipper blieb offenbar unverletzt, auch über nennenswerte Schäden am Boot ist nichts bekannt – anders als bei Dutzenden vergleichbaren Begegnungen auf hoher See.

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Vor der marokkanischen Küste haben Orcas kürzlich eine große Segelyacht zum Sinken gebracht. Und schon seit Jahren werden auch vor der spanischen Atlantikküste Sportboote von Schwertwalen bedrängt, beschädigt und sogar versenkt. Wir sprachen mit dem Segler und Autor Thomas Käsbohrer, der das weltweit erste Buch über die rätselhaften Angriffe veröffentlichte

Vor der spanischen Küste, insbesondere in der Nähe der Meerenge von Gibraltar, werden seit etwa drei Jahren immer wieder Sportboote bedrängt und beschädigt. Der Segler und Buchautor Thomas Käsbohrer schätzt, dass auf der Route von Brest in der Bretagne nach Gibraltar sogar drei bis fünf Prozent aller Boote leicht bis schwer beschädigt werden. Mindestens zwei Yachten sind nach solchen Angriffen schon gesunken.

Wie kommt das rätselhafte Verhalten in den Norden?

Warum die Tiere tun, was sie tun, ist noch immer unklar. Auf die Besatzungen der Boote haben sie es jedenfalls nicht abgesehen: Bislang kam kein Mensch zu Schaden. Die Palette der möglichen Ursachen reicht von Nahrungskonkurrenz um Fische, zunehmendem Stress durch Unterwasserlärm bis hin zu steigenden Wassertemperaturen. Auch Spielverhalten kann nicht sicher ausgeschlossen werden.

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Bemerkenswert an dem neuerlichen Vorfall ist vor allem der Ort: Bislang wurde ein solcher Zwischenfall noch nie so weit nördlich registriert. Mehr als 3000 Kilometer trennen die Shetlandinseln von der Straße von Gibraltar.

Expert*innen rätseln jetzt, wie das ungewöhnliche Verhalten, das bislang auf eine spanische Orca-Population beschränkt war, in den hohen Norden gelangt ist. Da Schwertwale hoch soziale Tiere sind, die voneinander lernen, halten Meeresbiolog*innen es zumindest für möglich, dass das Verhalten von einzelnen, hoch mobilen Tieren weitergegeben wurde. Thomas Käsbohrer erklärte im GEO-Interview, er rechne damit, dass die Attacken noch zunehmen – und einige Jahre andauern werden.

Wenn das Beispiel der spanischen Orcas Schule macht, müssen Skipper womöglich bald auch in anderen Weltmeeren mit unliebsamen Begegnungen rechnen.