Mexiko Erstmals lebend gesichtet: Wie Forschende den Japanischen Schnabelwal aufspürten

Ein Forschungsteam schoss die ersten Aufnahmen von lebenden Japanischen Schnabelwalen – nicht etwa vor der Küste Japans, sondern im Pazifik vor Mexiko
Ein Forschungsteam schoss die ersten Aufnahmen von lebenden Japanischen Schnabelwalen – nicht etwa vor der Küste Japans, sondern im Pazifik vor Mexiko
© Craig Hayslip, Henderson et al. 2025
Nach jahrelanger Suche stoßen Forschende erstmals auf Japanische Schnabelwale in freier Wildbahn. Doch ein Albatros verhindert die Mission beinahe

Schnabelwale gehören zu den Phantomen unserer Ozeane. Obwohl ihre massigen Körper bis zu 13 Meter lang werden können und sie zu den artenreichsten Walfamilien zählen, ist nur wenig über die Tiere bekannt – von vielen Arten wurde noch nie ein lebender Vertreter in der freien Wildbahn gesichtet. Das ist nicht verwunderlich: Schnabelwale nähern sich als Hochseebewohner nur selten der Küste. Auf der Jagd nach Tintenfischen und Kalmaren tauchen sie so tief wie kaum ein anderes Säugetier und lassen sich nur kurz zum Luftholen an der Meeresoberfläche blicken. Und: Sie sind äußerst schüchtern. Nähert sich ein Boot, suchen sie das Weite, bevor dessen Insassen von der Präsenz der Wale auch nur ahnen können. 

So kommt es, dass einzig die angeschwemmten Kadaver verendeter Schnabelwale von der Existenz einiger Arten der Familie zeugen. Das galt lange auch für den Japanischen Schnabelwal (Mesoplodon ginkgodens). Doch nach jahrelanger Suche konnten Forschende aus Mexiko und den USA nun erstmals mehrere Japanische Schnabelwale vor der Küste der mexikanischen Halbinsel Baja California aufspüren – lebend. Wie ihnen das gelang, berichten sie in der Fachzeitschrift "Marine Mammal Science". 

Alles begann mit einem Geräusch. Immer wieder ertönte es in den vergangenen Jahren im Pazifik vor Baja California. Die Forschenden tauften es auf den Namen BW43 und vermuteten, dass es der Echolokation von Schnabelwalen dient – jede Art nutzt einen eigenen, frequenzmodulierten Echolokalisationsimpuls mit ansteigender Frequenz. Im Lauf der vergangenen Jahre versuchten Biologinnen und Biologen deshalb immer wieder, unterschiedliche Geräusche mit einer bestimmten Walart zusammenzubringen. 

Der Rücken des ausgewachsenen Japanischen Schnabelwals ist stark vernarbt. Die großen weißen Flecken scheinen Bissspuren eines Zigarrenhais zu sein, die feinen Linien zeugen von Kämpfen mit anderen Männchen
Der Rücken des ausgewachsenen Japanischen Schnabelwals ist stark vernarbt. Die großen weißen Flecken scheinen Bissspuren eines Zigarrenhais zu sein, die feinen Linien zeugen von Kämpfen mit anderen Männchen
© Craig Hayslip, Henderson et al. 2025

Doch wer ist für BW43 verantwortlich? Die Forschenden tippten zunächst auf den Perrin-Schnabelwal (Mesoplodon perrini), der ebenfalls noch nie lebend gesichtet wurde. Jahrelang suchten sie ihn an den Orten, an denen sie die Geräusche vernommen hatten, erst mit einem Segelboot, dann mit einem Fischerboot und schließlich mit dem deutlich besser ausgerüsteten Forschungsschiff der Oregon State University. Dieses ist nicht nur mit Hydrophonen ausgestattet – Unterwassermikrophonen –, sondern auch mit besonders starken Ferngläsern, die Wale selbst dann noch sichtbar machen, wenn sie mehrere Hundert Meter entfernt sind. 

Albatros stürzt sich auf Gewebeprobe

Während der fünften Expedition im Juni 2024 war es dann endlich so weit: Wal voraus! Über Stunden hinweg tauchten immer wieder zwei junge Schnabelwale in der Nähe des Forschungsschiffs auf. Doch welche genau? Um das eindeutig zu klären, schoss der Biologe Robert Pitman einen kleinen Pfeil auf die Wale, um mithilfe einer Gewebeprobe ihre DNA bestimmen zu können. Ein hungriger Albatros machte den Forschenden jedoch beinahe einen Strich durch die Rechnung, berichten sie im "Guardian": Er stürzte sich auf die Gewebeprobe, noch bevor sie diese aus dem Wasser ziehen konnten. Die Forschenden begannen demnach panisch schreiend ihre Frühstücksbrötchen zu werfen, um den aufdringlichen Vogel zu vertreiben – mit Erfolg.

Die gerettete DNA verglichen sie schließlich im Labor mit der DNA verschiedener gestrandeter Schnabelwale. Das Ergebnis sorgte für eine Überraschung: Bei den gesichteten Walen handelt es sich nicht um Perrin-Schnabelwale, sondern um Japanische Schnabelwale. Auch mithilfe von Fotos eines erwachsenen Männchens ließ sich dieses aufgrund seiner winzigen, durchgebrochenen Zahnspitze und der weißen Musterung seines Schnabels eindeutig als Japanischen Schnabelwal identifizieren. 

Für die Forschenden ist die erstmalige Sichtung der Wale vor allem deshalb eine große Überraschung, weil der Japanische Schnabelwal bisher vor allem im westlichen Pazifik vor der Küste Japans, Taiwans, Neuseelands oder Australiens vermutet wurde, wo immer wieder tote Tiere stranden – nicht aber im Ostpazifik vor der Küste Mexikos. "Bisher galten Japanische Schnabelwale aufgrund von nur zwei Strandungen in den letzten 70 Jahren lediglich als Streuner im östlichen Pazifik", schreiben die Forschenden. "Aufgrund der zeitlichen und räumlichen Verteilung früherer BW43-Akustikaufzeichnungen und unserer Ergebnisse scheinen sie aber eine recht weit verbreitete, wenn auch seltene Art vor der Küste Kaliforniens und Baja Californias zu sein."

Das neue Wissen über die Tiere kann nun dabei helfen, Störungen durch militärische Sonargeräte, auf die Schnabelwale besonders sensibel reagieren, in deren Verbreitungsgebiet zu vermeiden. Und die Forschenden werden mit Sicherheit wieder in See stechen. Die Suche nach dem Perrin-Schnabelwal geht weiter. 

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