Forschung Was der Kot von Grönlandwalen über den Klimawandel verrät

Grönlandwale aus der Vogelprespektive
Grönlandwale aus der Vogelprespektive
© Amelia Brower NOAA Fisheries/AFSC/MML, Seattle, WA, 98125 USA & North Slope Borough. National Marine Fisheries Service (NMFS) Permit No. 14245
Manchmal kann die Arbeit von Forschern darin bestehen, Kot von Walen einzufrieren – und genau zu analysieren. In diesem Fall erzählen die Fäkalien von einer sich verschärfenden Gefahr

Aus dem Kot von Grönlandwalen lässt sich ablesen, wie sich der Klimawandel im Arktischen Ozean bemerkbar macht – und welche Gefahren damit für Tiere und auch Menschen einhergehen. Durch erhöhte Meerestemperaturen gedeihen bestimmte Algenarten besser, die giftige Stoffwechselprodukte (Algentoxine) bilden – und damit Meerestiere belasten, von denen sich Menschen in der arktischen Region ernähren.

Kot von 205 Grönlandwalen

Ein Forschungsteam der US-Behörde NOAA Fisheries um Kathi Lefebvre hat diese Entwicklung mit einer ungewöhnlichen Methode nachgewiesen: Über einen Zeitraum von 19 Jahren sammelte es Kotproben von 205 Grönlandwalen, die von indigenen Gruppen in der Beaufortsee – einem Teil des Arktischen Ozeans vor Alaska – gefangen wurden. Walfang für den Eigenbedarf ist in diesen Gegenden üblich. 

Von jedem Wal wurden für die Forschung Abschnitte des Dickdarms seziert und die Fäkalien mit Plastiklöffeln entnommen. Diese kühlte das Team zunächst auf minus 20 Grad herunter, bevor es später mit einem speziellen Verfahren die Konzentration der Algentoxine in den Proben analysierte.

Mikroskopaufnahme von Algenzellen
Auf dieser Mikroskopaufnahme sind die Algenzellen zu sehen, die schädliche Algentoxine produzieren
© Brian Bill NOAA Fisheries/Northwest Fisheries Science Center, Seattle, WA, 98112 USA

Die Forscherinnen und Forscher stellten fest, dass die Konzentration der Algentoxine stark mit den über die Jahre sich stark verändernden Meerestemperaturen, dem Ausmaß der eisfreien Wasserfläche, der Windgeschwindigkeit und dem Luftdruck zusammenhängt. Eine höhere Konzentration von schädlichen Algen ging demnach mit der zunehmenden Erwärmung des Ozeans und der geringeren Ausdehnung des Meereises einher.

"Unsere Ergebnisse bestätigen die ozeanischen, atmosphärischen und biologischen Hinweise auf steigende Konzentrationen von Algentoxinen in den arktischen Nahrungsnetzen aufgrund der Erwärmung der Ozeane", sagte Erstautorin Lefebvre der Deutschen Presse-Agentur.

Giftige Stoffe in Nahrungsketten

Grönlandwale, die Schätzungen zufolge deutlich älter als 150 Jahre werden können, beziehungsweise ihr Stoffwechsel werden somit zum Logbuch einer sich verändernden Umwelt. "Dieser neuartige Ansatz klärt auf, wie die Erwärmung der Ozeane und die zunehmende Gefährdung der arktischen Tierwelt durch Algentoxine zusammenhängen, was die Ernährungssicherheit der Ureinwohner Alaskas bedroht, die seit über 5.000 Jahren von den Ressourcen des Meeres abhängig sind", erklärt Lefebvre.

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Überwachung von belasteten Meerestieren nötig

Es sei wichtig, die Belastung von Meerestieren durch die giftigen Stoffe zu überwachen, um die Bevölkerung in der Arktis zu schützen, betonen die Forschenden.

Mit dem Klimawandel erwärmt sich das Meer drastisch und das Eis schmilzt: Jedes Jahr kurz vor Ende des Winters erreicht das Meereis der Arktis seine größte Ausbreitung. Die Eisdecke war bei einer Messung im März dieses Jahres zu dem Zeitpunkt noch nie so klein wie in diesem Jahr. Nach Angaben der US-Klimabehörde NSIDC (National Snow and Ice Data Center) breitete sie sich bis zum 22. März nur auf rund 14,33 Millionen Quadratkilometer aus. Damit handele es sich um die geringste Ausdehnung seit Beginn der Satellitenmessungen vor fast 50 Jahren, hieß es. Der vorherige Negativrekord war 2017 aufgestellt worden.

Larissa Schwedes, dpa