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Gesellschaft Brötchentaste first, Weltrettung second

Die "Brötchentaste" an einem Parkautomaten (hier in Lübeck-Travemünde) erlaubt kostenloses Kurzzeit-Parken
Die "Brötchentaste" an einem Parkautomaten (hier in Lübeck-Travemünde) erlaubt kostenloses Kurzzeit-Parken
© picture alliance / dpa | Marcus Brandt
Der Streit um das kostenlose Kurzparken in Bremen ist nicht so gemütlich, wie das Wort "Brötchentaste" klingt. Wollen wir die Verkehrswende eigentlich?

Es gibt Schlagzeilen, die muss man erst mal auf der Wort-Ebene verstehen. "Nordbremer fordern Brötchentaste zurück", schrieb kürzlich der Bremer Weser-Kurier. Nordbremer ist klar. Aber Brötchentaste? Gleich vorab: Es geht nicht um Backwaren-Automaten. Sondern um Parkuhren.

Offenbar hat der Norden des Stadtstaates eine besonders hohe Dichte an Parkuhren, Bäckereien und Menschen, die mit ihrem Auto bei diesen Bäckereien vorfahren, um Brötchen zu kaufen. Für die Letzteren gab es bis vor kurzem die Option, einige Minuten kostenlos zu parken. Diese sogenannte Brötchentaste an der Parkuhr wurde auf Betreiben der Grünen zum April abgeschafft. Was den Brötchentasten der Hansestadt eine gewisse Berühmtheit verschafft hat, ist der Umstand, dass sie die Grünen bei der jüngsten Senatswahl massiv Stimmen gekostet haben sollen. Also ihre Abschaffung.

Dabei können sich Klimaschützer*innen auf Zahlen des Umweltbundesamtes stützen, nach denen 40 Prozent aller Autofahrten auf Entfernungen unter fünf Kilometer entfallen. Also Distanzen, die gerade im städtischen Bereich – meist auch noch ohne größeren Zeitaufwand – mit dem Fahrrad zurückgelegt werden könnten. Zum Bäcker nebenan, zum Beispiel. Rad abstellen vor der Tür: gratis. Immer.

Auf die Motive der Wählerinnen und Wähler wirft die Geschichte ein zweifelhaftes Licht: Klimaschutz, so könnte man die Botschaft an die Öko-Partei verstehen: gerne! Aber wenn ihr mir die Option zum kostenlosen Kurzzeitparken nehmt, seid ihr raus.

Gibt es eine "ideologisch motivierte Fahrrad-Priorität"?

"Zumutungen" jeder Art im Zeichen einer ökologischen Transformation, von Verboten ganz zu schweigen, werden per Wahlzettel regelmäßig abgestraft. Auch wenn die Opposition in Bremen aus ihrer Stimmungsmache gegen die Verkehrspolitik des Senats ("ideologisch motivierte Fahrrad-Priorität!") keinen Gewinn ziehen konnte: Freie Fahrt – Stichwort Tempolimit – und freies Parken für freie Bürger*innen scheint immer noch eine sehr mächtige Erzählung zu sein. Nebenbei bemerkt: Wenn irgendetwas ideologisch ist, dann das Beharren auf einem zukunftsunfähigen motorisierten Individualverkehr.

In Bezug auf eine enkeltaugliche Politik kann man die Geschichte auf zwei Arten interpretieren. Erstens: Man muss die Sorgen und Nöte der Menschen vor Ort ernst nehmen. "Wer ihre Kleinstprobleme nicht berücksichtigt, wird beim Verhindern der globalen Katastrophen auch nicht vorankommen", schrieb ein Kommentator der taz. (Vorsichtige Zweifel, dass die Wiedereinführung der Brötchentaste in Bremen-Nord beim Verhindern globaler Katastrophen noch irgendwie helfen könnte, sind erlaubt.)

Oder, zweitens: Es gibt selbst bei Lappalien wie dem kostenlosen Kurzzeitparken schon keine gesellschaftliche Einigkeit zugunsten einer nerven- und klimaschonenden Mobilität. Wie, bitte, soll das im Großen funktionieren? Verkehrswende – ja klar! Aber bitte nicht jetzt, nicht ich, nicht so.

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