Mobilität "Gegen ein Naturgesetz kann man nicht antüfteln" – ein Physiker über die Grenzen des Verbrennungsmotors

In Chile betreibt der Autohersteller Porsche eine Pilotanlage für E-Fuels. Physiker Johannes Kückens bezweifelt, dass man mit den synthetischen Kraftstoffen einst Verbrennungsmotoren von Pkw in großer Zahl betreiben wird. Sein Argument: "Mit derselben Menge elektrischer Energie, mit der ein Batterie-Auto 100 Kilometer weit fahren kann, fährt ein E-Fuel-Auto maximal 20 Kilometer weit."
In Chile betreibt der Autohersteller Porsche eine Pilotanlage für E-Fuels. Physiker Johannes Kückens bezweifelt, dass man mit den synthetischen Kraftstoffen einst Verbrennungsmotoren von Pkw in großer Zahl betreiben wird. Sein Argument: "Mit derselben Menge elektrischer Energie, mit der ein Batterie-Auto 100 Kilometer weit fahren kann, fährt ein E-Fuel-Auto maximal 20 Kilometer weit."
© Porsche AG
Wer Wärme- in Bewegungsenergie umwandelt, hat ein Problem: die Verschwendung. Physiker Johannes Kückens erklärt, was das für Verbrennerautos bedeutet und wofür wir E-Fuels brauchen

GEO: Herr Kückens, Sie sind Physiker und "Wissenschafts-Erklärer". Jetzt müsste eigentlich genau Ihre Zeit sein: Physik spielt in der öffentlichen Debatte eine immer größere Rolle. Ihre Dienstleistung müsste doch gefragt sein wie nie, oder?

Johannes Kückens: Ja, einerseits stimmt das. Wahrscheinlich kommt das Wort Physik in politischen Reden heute viel öfter vor als noch vor 10 oder 20 Jahren. In der Klimadebatte, bei Fragen zur Energiewende samt Elektroauto, Wärmepumpe und so weiter. Andererseits: Leider sagen die Leute oft einfach einen Satz mit "Physik" – und danach kommt eher eine Meinung als eine Ahnung. Das erlebt man besonders häufig beim Aufregerthema Verbrennungsmotor.

Das Thema polarisiert sehr. Und man merkt auch, dass es Sie gerade ein bisschen aufregt. Steigen Sie als Physiker auch kampfeslustig in die Diskussion ein? 

Naja, kampfeslustig. Wenn sie sich in eine politische Diskussion einmischen, dann meinen ja viele: Man muss nur laut sein, am besten die andere Meinung überschreien, sonst geht alles in der aufgeregten Kakophonie unter. Aber es gibt auch einen anderen Weg, nämlich ein Schrittchen zurückzutreten und zu sagen: Okay, jetzt mal ganz in Ruhe. 

Deshalb haben Sie Ihre neue Podcast-Reihe so zurückhaltend betitelt: "Jetzt mal ganz in Ruhe". 

Genau, denn meine beiden Kollegen und ich glauben fest daran: Wenn man sachlich bleibt, die Zusammenhänge erklärt, dann sprechen die Naturgesetze schon für sich. Ganz ohne Aufregung. Auf diese Art wollen wir erklären, wie genau eigentlich der Treibhauseffekt funktioniert. Oder was es mit den natürlichen Temperaturschwankungen auf sich hat, denen unser Planet seit Jahrmillionen unterliegt. Das kann man alles ganz in Ruhe erklären, und es ist dann auch wirklich spannend.

Trotzdem sagen Sie selber: Verbrennungsmotor, das ist gerade so ein Aufregerthema. Wie will man das denn in Ruhe behandeln? 

Das geht sehr gut. Wir machen das immer in Doppelfolgen: In der ersten der beiden Episoden gewinnen wir jedem Thema erst mal etwas Positives ab, und zwar ganz im Ernst. "Wir lieben Verbrennung", heißt die entsprechende Folge bei uns. Darin erklären wir, was eigentlich die Physik eines Verbrennungsprozesses ausmacht und warum dabei so unglaublich viel Energie frei wird, dass wir Menschen damit eine ganze Zivilisation aufbauen konnten. Es ist ja schon verrückt, dass der Mensch einen Weg gefunden hat, die Sonnenenergie aus der tiefen Vergangenheit unseres Planeten, die im Erdöl gespeichert ist, zu Treibstoffen zu verarbeiten, um damit zum Beispiel riesige Flugzeuge in die Luft abheben zu lassen.

Dass Sie Verbrennung lieben, überrascht mich jetzt ein wenig.

Als Physiker kann man erst einmal würdigen, was daran gut ist. Die nächste Folge heißt dann aber auch schon: "Das Problem mit der Verbrennung". Das ist unser Konzept. Und da erklären wir dann genauso sachlich die enormen Nachteile, die Energie aus Verbrennung automatisch immer mit sich bringen muss.

Dass dabei das Treibhausgas CO2 frei wird?

Natürlich. In "Jetzt mal ganz in Ruhe" sehen wir uns das aber noch grundsätzlicher an, in Ruhe eben. Das Problem der Verbrennung ist dann zu allererst: Verschwendung. Verbrennungsmotoren sind physikalisch gesehen sogenannte Wärmekraftmaschinen, genau wie die gute alte Dampfmaschine. Wärmekraftmaschinen erzeugen durch Verbrennung sehr viel Wärme, die Wärmeenergie wird in Bewegungsenergie umgewandelt, das ist es ja, was man von dem Motor will: Bewegung. Das Problem ist aber: Die Naturgesetze, genauer gesagt, der zweite Hauptsatz der Thermodynamik, legen unverrückbar fest: Bei diesem Prozess muss immer der Großteil der Energie – weit mehr als die Hälfte – als Abwärme verpuffen, man kann Wärme niemals vollständig in eine andere Energieform umwandeln.

Oft wird aber behauptet, dass sich das mit Ingenieurskunst und Erfindergeist noch verbessern ließe.

Und diese Sicht ist eben falsch. Weil man gegen ein Naturgesetz nicht antüfteln kann. Natürlich ist die kontrollierte Verbrennung über die letzten 150 Jahre sehr viel effizienter geworden. Schon Rudolf Diesel war ein Erfinder, der sich besonders darum bemüht hat, mit einigem Erfolg: Der Dieselmotor schafft einen etwas besseren Wirkungsgrad als ein Benzinmotor. Aber wir sind längst am Ende der Fahnenstange angekommen, an der Grenze für den Wirkungsgrad, die die Thermodynamik für alle Wärmekraftmaschinen festlegt, und zwar: felsenfest.

Diese Information scheinen in der Debatte offensichtlich nicht alle zu haben. 

Offensichtlich nicht. Und deshalb finden wir es wichtig, solche Dinge einfach mal in Ruhe zu erklären. Auf eine Weise, die nicht aggressiv ist oder vorwurfsvoll, sondern einfach nur sagt: Schaut mal, das sagt die Physik dazu. Man kann gern alle möglichen Argumente vorbringen, aber der Physik sollten sie nicht widersprechen, sonst sind es sehr schwache Argumente.

Was ist aber mit E-Fuels? Also synthetischen Kraftstoffen, bei deren Produktion genauso viel CO2 aus der Luft geholt wird, wie bei der Verbrennung später wieder frei wird. Ihre Gesamtbilanz müsste doch Klimaneutral sein – so die Hoffnung vieler, die Verbrennungsmaschinen und Treibstoffe noch nicht abschreiben wollen. 

E-Fuels sind eine tolle Erfindung! Wir werden sie in Zukunft sicher brauchen: für Flugzeuge oder Schiffe. Denn die lassen sich nur schwer oder gar nicht elektrifizieren, weil Akkus für deren enormen Energiebedarf zu schwer wären. Gerade bei großen Passagierflugzeugen und Containerschiffen ist daher eine Elektrifizierung kaum möglich. 

Elektromotoren sind viel effizienter, denn sie gehen nicht den Umweg über Wärme.

Könnten E-Fuels denn nicht auch in Verbrennungsmotoren von Pkw klimaneutral arbeiten?

Theoretisch schon. Wenn man ausreichend E-Fuels hätte und diese dann auch noch bezahlen könnte. Das wird aber wohl aus rein physikalischen Gründen nie der Fall sein.                                                                 

Warum nicht?

Der Grund ist wieder die Verschwendung. Das E in E-Fuels steht ja für "Elektrizität". Um E-Fuels herzustellen, braucht man große Mengen elektrischer Energie – und zwar aus erneuerbaren Quellen, sonst sind sie nicht klimaneutral und man kann gleich fossile Kraftstoffe tanken. 

Man könnte also sagen: Verbrennerautos mit E-Fuels fahren im Grunde auch auf Basis von Strom?

Kückens: Richtig. Deshalb lassen sich Batterie-Autos und E-Fuel-Autos auch gut vergleichen. Der Stromverbrauch ist sozusagen ihr gemeinsamer Nenner. Dieser Vergleich mag aber für viele überraschend sein: Mit derselben Menge elektrischer Energie, mit der ein Batterie-Auto 100 Kilometer weit fahren kann, fährt ein E-Fuel-Auto maximal 20 Kilometer weit. 

Ist der Grund auch wieder die Thermodynamik? 

Ganz genau. Denn erstens entstehen große Verluste bei der Erzeugung von E-Fuels – etwa 50 Prozent der elektrischen Energie gehen dabei verloren, und zweitens betreibt man mit dem wertvollen E-Fuel auch noch den ineffizienten Verbrennungsmotor. 

Elektromotoren sind viel effizienter, denn sie gehen nicht den Umweg über Wärme. Und haben daher auch nicht so hohe Verluste. Das ist vielen Menschen überhaupt nicht klar. Doch wenn man es mal in Ruhe erklärt bekommt, kann man mit solchem Hintergrundwissen auch informierter in eine Diskussion im Freundeskreis gehen.

Michael Büker, Johannes Kückens und Jens Schröder (von links) sind als Erklär-Team auf neuer Mission: Seit Kurzem bespricht das Dreiergespann des erfolgreichen Podcasts "Sag mal du als Physiker" (auch bei GEO+) jede Woche fundamentale Zusammenhänge hinter Klima, Atmosphäre und Erderwärmung. Den Podcast "Jetzt mal ganz in Ruhe" finden Sie bei RTL+ und auf vielen anderen Plattformen
Michael Büker, Johannes Kückens und Jens Schröder (von links) sind als Erklär-Team auf neuer Mission: Seit Kurzem bespricht das Dreiergespann des erfolgreichen Podcasts "Sag mal du als Physiker" (auch bei GEO+) jede Woche fundamentale Zusammenhänge hinter Klima, Atmosphäre und Erderwärmung. Den Podcast "Jetzt mal ganz in Ruhe" finden Sie bei RTL+ und auf vielen anderen Plattformen
© Andreas Pufal

Trotzdem stellt sich bei Physik ja die Frage: Wie viele Menschen hören sich so was an? Freiwillig? Physikunterricht ist für den einen oder die andere sicher eine traumatische Erinnerung.

Ich stimme nur ungern ein ins allgemeine Physikunterricht-Bashing. Viele Lehrerinnen und Lehrer machen einen super engagierten Unterricht. Aber sie sind natürlich gebunden an Lehrpläne mit sehr engen Möglichkeiten. Und es liegt auch nicht allen Menschen gleich gut, so sachliche Dinge unterhaltsam rüberzubringen, das ist auch eine Typ-Frage.

Das scheint bei Ihrem Trio auch das Motto zu sein: Edutainment.

Kückens: Wir versuchen das bei allem Respekt vor den harten Themen auch immer fröhlich zu machen. Mit mir sind der Physiker Michael Büker dabei und Jens Schröder, ehemaliger Chefredakteur von GEO. Wir arbeiten schon seit Jahren zusammen und haben für Audible schon gut 250 Folgen des Podcasts "Sag mal, du als Physiker" aufgenommen. Jens ist in beiden Formaten der Anwalt der Hörerinnen und Hörer – er fragt und bohrt so lange nach, bis er es wirklich verstanden hat. Das ist manchmal ganz schön anstrengend für uns Physiker. Aber nur so gelingt es eben, für alle verständlich zu sein. Und das ist uns das Allerwichtigste!