Seit vergangener Woche demonstrieren Menschen in Los Angeles im US-Bundesstaat Kalifornien gegen die Migrationspolitik der US-Regierung. Vereinzelt kommt es laut Medienberichten zu gewaltsamen Ausschreitungen. Einige Demonstranten sollen die Sicherheitskräfte mit Steinen beworfen haben. Daraufhin schickte der US-Präsident Donald Trump zunächst 2000 Soldatinnen und Soldaten der US-Nationalgarde in die Metropole an der amerikanischen Westküste – gegen den Willen des Gouverneurs von Kalifornien, Gavin Newsom.
Es ist eine Machtdemonstration Trumps. Denn eigentlich haben die Bundesstaaten die Kontrolle über die Nationalgarde. Ihre Gouverneure können die Miliz in lokalen oder bundesstaatlichen Notfällen wie Stürmen, Dürren und Unruhen zum Einsatz rufen. Nur im nationalen Notfall oder im Krieg kann der US-Präsident den Einsatz der Nationalgarde befehlen.
Äußerst selten in der Geschichte machten US-Präsidenten von dieser Befehlsmacht Gebrauch. Zuletzt berief Trump während seiner ersten Amtszeit im Jahr 2020 die Nationalgarde ein, um die landesweiten Proteste nach dem Tod von George Floyd zu beenden – der bei einem gewaltsamen Polizeieinsatz gestorben war. Erstmals beorderte ein US-Präsident 1957 die Nationalgarde: Damals schickte Dwight Eisenhower 1000 Soldaten nach Little Rock im Bundesstaat Arkansas, um neun schwarzen Teenagern die Teilnahme am Schulunterricht zu ermöglichen.
Die neun aus Little Rock
Der 4. September 1957 ist ein besonderer Tag. Zum ersten Mal dürfen Ernest Green, Elizabeth Eckford, Jefferson Thomas, Terrence Roberts, Carlotta Walls LaNier, Minnijean Brown, Gloria Ray Karlmark, Thelma Mothershe und Melba Pattillo Beals die bis dahin weißen Schülern vorbehaltene Little Rock Central Highschool besuchen. Möglich macht dies ein Urteil des Supreme Court: Das höchste US-Gericht hatte 1954 entschieden, dass alle Gesetze zur Einrichtung getrennter Schulen verfassungswidrig seien, und forderte in seinem Urteil, die Rassentrennung an US-Schulen aufzuheben.
Doch an jenem Morgen hat sich bei der Ankunft der neun schwarzen Schülerinnen und Schüler ein Mob aus mehreren Hundert Menschen versammelt, um gegen ihre Integration in die Schule mit 1900 Schülern zu demonstrieren. Um die öffentliche Sicherheit zu garantieren, entsendet Orval Faubus, Gouverneur des Bundesstaates Arkansas, Soldaten der Nationalgarde an die Schule in Little Rock. Radio- und Fernsehstationen berichten live über die "Little Rock Crisis". Die Bilder des Ereignisses spalten die US-Nation. Der Anblick einer Reihe von Soldaten, die den Schülern den Weg versperrten, sorgt landesweit für Aufruhr. Denn an jenem Tag betreten die "Little Rock Nine" das Schulgebäude nicht – die Nationalgarde weist sie zurück.
Es vergehen fast drei Wochen, in denen die schwarzen Teenager nicht am Unterricht der Central High teilnehmen können. Dann urteilt ein Bezirksrichter in Little Rock, dass Gouverneur Faubus die Nationalgarde dazu eingesetzt habe, die Integration zu verhindern, und nicht, wie es eigentlich ihre Aufgabe wäre, um Recht und Ordnung aufrechtzuerhalten. Der Gouverneur muss die Soldaten abziehen lassen, und die Polizei von Little Rock übernimmt.
Wenige Tage später eskortieren Polizisten die Teenager durch eine Seitentür ins Schulgebäude. Als die weißen Demonstranten vor dem Haupteingang davon erfahren, eskaliert der Protest, die Polizei verliert die Kontrolle. Durch die Seitentür werden die neun Teenager wieder aus der Schule gebracht.
Eisenhower beordert 1000 Soldaten nach Little Rock
Schließlich schreibt der Bürgermeister von Little Rock an den damaligen US-Präsidenten Dwight Eisenhower. Woodrow Wilson Mann bittet ihn, die Nationalgarde noch einmal nach Little Rock zu entsenden – dieses Mal sollen die Soldaten für Recht und Ordnung sorgen und die Integration der schwarzen Schülerinnen und Schüler in die Central Highschool garantieren.
Um ihren Schulbesuch durchzusetzen, nutzt der Präsident seine Befehlsmacht über die Nationalgarde. Eisenhower versetzt alle 10.000 Nationalgardisten in Arkansas in den Bundesdienst. 1000 von ihnen schickt er nach Little Rock.
Am 25. September 1957 eskortiert ein Nationalgardist jede und jeden Einzelnen der neun schwarzen Schüler bis zu ihrem Klassenzimmer in der Central Highschool. Die sechs Mädchen und drei Jungen nehmen endlich am gesetzlich garantierten Schulunterricht teil. Nur gut ein halbes Jahr später wird Ernest Green im Mai 1958 der erste Schwarze, der einen Abschluss an der Little Rock Central High erhält. Auch die anderen schaffen später ihren Highschool-Abschluss. In den USA gehen die neun Teenager als "Little Rock Nine" in die Geschichte der Bürgerrechtsbewegung ein. Bis heute sind sie Symbolfiguren für den Kampf gegen Rassismus und für Gleichberechtigung