Am 29. August 1958, einem Freitag, streitet sich die junge Schwedin Majbritt Morrison mit ihrem jamaikanischen Ehemann Raymond vor einer U-Bahn-Station unweit des Londoner Stadtteils Notting Hill. Nicht lange, und Raymond wird von Passanten beschimpft, die glauben, die weiße Frau vor dem schwarzen Mann verteidigen zu müssen. Als Majbritt daraufhin Partei für ihren Mann ergreift, bricht ein Tumult aus.
Am nächsten Abend wird sie von einigen jungen Leuten in einem Pub erkannt, rassistisch beleidigt, mit Flaschen beworfen. Die Stimmung heizt sich auf, es ist nicht der erste rassistische Vorfall in diesem August. Schon am Wochenende zuvor haben neun weiße Jugendliche in Notting Hill in ihrem Auto Jagd auf dunkelhäutige Menschen gemacht und einige mit Eisenstangen schwer verletzt. Doch nun, nach dem Angriff auf die junge Schwedin, bricht ein Chaos aus, das als "Notting Hill Race Riots" Schlagzeilen machen wird.
Notting Hill, heute eher als teures Szeneviertel bekannt, ist damals ein armes, heruntergekommenes Wohnviertel, in dem viele Immigranten leben, vorrangig aus der britischen Karibik. "Jamaican" wird zum Sammelbegriff für die Einwanderer, die sich hier neu ansiedeln – und nicht selten auf ein Klima wachsender Fremdenfeindlichkeit stoßen.
Sie kämpfen mit Messern und Stöcken
Nun, am 31. August, sammeln sich rund 400 Weiße in Notting Hill und Umgebung und attackieren dunkelhäutige Menschen. In den Tagen und vor allem Nächten danach kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen, die Polizei verhaftet Dutzende junge Männer, die mit Messern oder Stöcken bewaffnet sind. Ein schwarzer Student kann sich nach einem Angriff nur mit Mühe in ein Geschäft retten, das daraufhin von 200 Angreifern belagert wird. Rechtsextreme Vereinigungen nutzen die Gelegenheit, Parolen und Flugblätter auszugeben: "Es ist Zeit, sich zu verteidigen."

Am Montagabend versammeln sich rund 300 Afrokariben in Notting Hill, bewaffnen sich mit Beilen, Messern, Stangen, basteln Molotowcocktails und schlagen zurück, als ein weißer Mob die Häuser angreift, in denen sie sich verschanzt haben. Schaulustige reisen eigens an, einige kämpfen mit.
Erst nach mehreren Tagen bekommt die Polizei die Unruhen in den Griff, über 140 vorwiegend junge Männer, schwarze wie weiße, sind verhaftet worden. Die neun Jugendlichen, die mit ihrem Auto Jagd auf dunkelhäutige Männer gemacht hatten, werden zu jeweils vier Jahren Gefängnis verurteilt.
Die Diskussion, ob es sich bei den "Notting Hill Race Riots" tatsächlich um rassistische Ausschreitungen gehandelt hat oder eher um einen allgemeinen Gewaltausbruch unter verrohten jungen Leuten, die Spaß an Randale haben, beschäftigt Politik und Medien noch lange.
Als Reaktion auf die Unruhen veranstalten Aktivisten im Januar 1959 erstmals einen bunten "Karibischen Karneval" in dem Problemviertel. Die Feier ist einer der Vorläufer des "Notting Hill Carnival", eines Straßenfestes, das mittlerweile jedes Jahr rund zwei Millionen Besucher anzieht.