
Martha Washington, First Lady von 1789 bis 1797: Die Vorreiterin
Wie füllt man ein Amt aus, das es zuvor nicht gab? Martha Washington sah sich einer völlig unbekannten Aufgabe gegenüber, als ihr Mann George 1789 erster Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika wurde. Zu diesem Zeitpunkt war sie bereits seit rund 30 Jahren mit ihm verheiratet und hatte viele Jahre auf dem großen, von Sklaven bewirtschafteten Landsitz der Familie Mount Vernon in Virginia verbracht. Nun musste sie erst in New York, dann in Philadelphia, den beiden ersten Hauptstädten der USA (erst ab 1800 war es Washington, D. C.) versuchen, ihren Weg als erste Präsidentengattin zu finden. "Lady Washington“, wie sie genannt wurde, fühlte sich wie "eine Staatsgefangene“ (so schrieb sie später), der enge Grenzen gesetzt waren. "Viele jüngere und fröhlichere Frauen" wären an ihrer Stelle wohl äußerst zufrieden gewesen, so Martha, sie selbst wäre "viele lieber zu Hause" geblieben. So aber fügte sie sich und machte sich einen Namen als Gastgeberin, die wenig auf Formalitäten und Zeremonien gab – jedes politische Gespräch jedoch strikt mied. Freitags organisierte sie regelmäßige Zusammenkünfte der höheren Gesellschaft, bei denen auch Damen willkommen waren. Gegner ihres Mannes warfen ihr vor, sich allzu "königlich“ zu benehmen und eine Art neuen "Adel“ schaffen zu wollen – etwas, was in Abgrenzung vom ehemaligen Mutterland Großbritannien nicht gern gesehen war. Wieder andere kritisierten sie für die informelle Art ihrer Zusammenkünfte. Martha selbst litt unter der ständigen Beobachtung, unter den öffentlichen Kommentaren über ihre Kleidung oder ihr Haar. Dass ihr Mann 1793 wiedergewählt wurde, missfiel ihr zutiefst. 1797 kehrte das Paar zurück nach Mount Vernon, wo es die letzten Jahre seines Lebens verbrachte – zwar immer noch von vielen Gästen besucht, doch das zumindest in ihrem eigenen Zuhause.
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