Die Zeiten sind besonders – und so erfordern sie besondere Maßnahmen. Jetzt, Ende 1918. Der Erste Weltkrieg mit seinen Millionen von Toten ist vorbei, und US-Präsident Woodrow Wilson macht sich stark für eine neue Weltordnung, eine, die dauerhaften Frieden verspricht. Wilson, früher Geschichtsprofessor, vom Typ ein eher streng wirkender Gelehrter, hat eine internationale Organisation angeregt, die Kriege fortan verhindern soll: den Völkerbund. Und er will selber nach Europa kommen, um dafür zu werben, zu arbeiten.
Aus heutiger Sicht überraschend: Wilson ist damit der erste US-Präsident überhaupt, der sich auf offiziellen Staatsbesuch ins Ausland begibt. Fernreisen sind damals noch mühsam und zeitaufwendig, die rasante Shuttle-Diplomatie späterer Zeiten schlicht unmöglich; internationale Politik ist ein langsameres Geschäft, das allerdings zunehmend an Tempo gewinnt, etwa durch Telegramme.
Ankunft beim Alliierten – und beim alten Kolonialherren
Nun aber kommt Wilson persönlich nach Europa und besucht, nach kurzen Vorgesprächen zu den großen Friedensverhandlungen in Paris, zum ersten Mal auch Großbritannien – die frühere Kolonialmacht. London teilt mit den USA eine spezielle Beziehung: Im Unabhängigkeitskrieg haben sich die USA ab 1776 mühsam von den Briten freigekämpft. 1812 gab es einen weiteren Waffengang, der unentschieden ausging, danach Konflikte während des US-Bürgerkriegs.
Seit dem späten 19. Jahrhundert haben sich beide Staaten angenähert, machen die USA aber als ökonomisch und politisch reifendes Land der Weltmacht Großbritannien langsam ihre Führungsrolle streitig. Im Ersten Weltkrieg sind beide enge Verbündete. Der Eintritt der USA in den Kampf 1917 gibt sogar den entscheidenden Impuls für den Sieg der Alliierten gegen die Mittelmächte um Deutschland.
Die Briten jubeln in größter Dankbarkeit
Fünf Tage weilt Wilson 1918 im weihnachtlichen und silvesterlichen Großbritannien. Kommt am 26. Dezember an, rollt mit König George V. – dem mäßig gebildeten bärtigen Briefmarkenliebhaber – in der offenen Kutsche durch Spaliere jubelnder Londoner Bürgerinnen und Bürger.
Ungetrübter Dank wallt dem Besucher entgegen, für den Einsatz der USA im Krieg. Fahnen beider Länder bauschen im Wind. Wilson spricht mit Premierminister David Lloyd George, auch hier geht es unter anderem um Vorbereitendes für die baldigen Friedensgespräche. Genug Zeit bleibt für einen Abstecher in den Norden des Landes, nach Carlisle und Manchester.
Wilsons Mission scheitert
Am 31. reist Wilson wieder ab und begibt sich bald darauf nach Paris, wo noch im Januar die Friedensverhandlungen beginnen. Wilson ist Chef der US-Delegation. Doch seine Bemühungen um eine stabile und offene Weltordnung werden nicht den gewünschten Erfolg haben. Nicht zuletzt politische Kräfte in seinem eigenen Land torpedieren das. Was folgt, ist stattdessen eine Phase des US-amerikanischen Isolationismus, der politischen Einigelung.
Der nächste Besuch eines US-Präsidenten in Großbritannien erfolgt lange 26 Jahre später, im August 1945. Da hat die Welt gerade erst wieder zum Frieden zurückgefunden.