Schlafgesundheit Mouth-Taping: Führt Klebeband über dem Mund zu besserem Schlaf?

Mittelalter Mann mit Tape auf dem Mund
Klebestreifen über dem Mund sollen zu einem erholsameren Schlaf führen
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Schlafen mit zugeklebtem Mund soll gut für die Gesundheit sein und gegen Schlafapnoe helfen. Was absurd klingt, hat eine wissenschaftliche Grundlage

Schlaf regeneriert unseren Körper, stärkt das Immunsystem und fördert das Lernen sowie die Gedächtnisfunktion. Im Umkehrschluss können Schlafentzug oder -erkrankungen zu Konzentrationsproblemen führen und ernsthafte gesundheitliche Folgen bewirken – beispielsweise steigt das Risiko für Herzinfarkte und Diabetes. Guter und erholsamer Schlaf ist also entscheidend für unsere körperliche und geistige Gesundheit. 

Aktuellen Umfragen zufolge leiden jedoch 43 Prozent der Deutschen zumindest gelegentlich unter Schlafproblemen. Dazu zählen Schwierigkeiten beim Ein- oder Durchschlafen sowie Schlaflosigkeit. Als häufige Ursachen für Schlafprobleme gelten Stress, finanzielle Sorgen und Beziehungsprobleme. Aber auch körperliche Beschwerden wie beispielsweise Schlafapnoe – kurzzeitige nächtliche Atemstillstände –vermindern die Schlafqualität erheblich. Seit einigen Jahren verspricht ein neuer Trend in sozialen Netzwerken eine vermeintliche Abhilfe: "Mouth-Taping". Doch was steckt dahinter?

Was ist Schlafapnoe?

Als eine der häufigsten Schlafstörungen der Welt gilt die obstruktive Schlafapnoe (OSA). Schätzungen zufolge sind weltweit etwa eine Milliarde Menschen zwischen 30 und 69 Jahren davon betroffen. Eine OSA entsteht durch eine Blockade (Obstruktion) der oberen Atemwege, beispielsweise durch erschlaffte Muskeln im Rachenbereich. Neben lautem Schnarchen kann das dazu führen, dass die Atmung während des Schlafs immer wieder aussetzt – manchmal über mehrere Minuten und mehrmals pro Stunde. Der Atemstillstand führt schließlich zu einem Alarmsignal im Körper und einer Weckreaktion. Die kurzen Aufwachphasen bleiben häufig von den betroffenen Personen unbemerkt – allerdings leidet die Schlafqualität enorm und man fühlt sich tagsüber ausgelaugt, müde und schlapp. Behandlungsmöglichkeiten umfassen bisher spezielle Atemmasken oder operative Eingriffe.

Was ist Mouth-Taping?

Beim Mouth-Taping klebt man sich vor dem Schlafengehen den Mund mit Pflastern, speziellem Tape oder Klebeband zu. Dieses kann X- oder H-förmig geformt sein und wird normalerweise vertikal fixiert, sodass nicht der komplette Mund bedeckt ist. Das Ziel: Nicht mehr über den Mund, sondern über die Nase atmen. Glaubt man einschlägigen Influencern, ergeben sich dadurch eine ganze Liste positiver Effekte. Allen voran soll es zu einem besseren und erholsameren Schlaf führen, Schnarchen und Schlafapnoe verhindern. 

Kann Mouth-Taping bei Schlafapnoe helfen? 

Eines vorweg: Einen eindeutig nachgewiesen Effekt durch Zukleben des Mundes beim Schlafen gibt es bisher nicht. Was allerdings bekannt ist: Wenn wir über die Nase atmen, wird die Luft erwärmt, befeuchtet und von Schadstoffen befreit. Das kann Infektionen vorbeugen, so die Meinung von Experten. Die Mundatmung führt hingegen häufiger zu Schnarchen, Atemaussetzern, Karies und Mundgeruch. Dass Menschen mit OSA beim Schlafen den Mund geschlossen halten wollen, scheint also naheliegend. Ob Klebeband dabei hilft, ist allerdings fraglich. So sind wissenschaftliche Studien zur Wirksamkeit von Mouth-Taping bisher selten und haben meist eine geringe Anzahl an Teilnehmenden. Kleinere Studien aus den Jahren 2014 und 2022 bei Betroffenen mit einer milden Form von OSA deuten darauf hin, dass Mouth-Taping das Schnarchen leicht verbessern kann. Eine aktuelle koreanische Studie kommt jedoch zu dem Ergebnis, dass Mouth-Taping nicht für alle OSA-Betroffene geeignet ist, da dadurch bei einigen Studienteilnehmenden weniger Sauerstoff in die Atemwege gelangt ist. Um zweifelsfrei beurteilen zu können, ob Mouth-Taping gegen Schnarchen oder zur Behandlung einer Schlafapnoe tatsächliche helfen kann, ist daher weitere Forschung dringend erforderlich.

Ist Mouth-Taping gefährlich?

Angst vor dem Ersticken muss man beim Mouth-Taping nicht haben – durch den natürlichen Atemreflex des Körpers würde man vorher aufwachen. Trotzdem ist das Zukleben des Mundes nicht für jeden geeignet. Bei Erkältungen oder einer verengten Nasenscheidewand kann Mouth-Taping gefährlich sein. Dann wird möglicherweise weniger Luft durch die Nase eingeatmet  und es kann zu Sauerstoffmangel und einem erhöhtem CO2-Gehalt im Blut kommen. Beides belastet das Herz-Kreislauf-System. Auch Personen mit Lungenerkrankungen oder einer stärkeren Form der Schlafapnoe sollten auf Mouth-Taping verzichten. Außerdem können beim Ablösen des Klebebands Hautreizungen an den Lippen auftreten. Daher sind medizinisches Klebband und Pflaster besser geeignet als Tesafilm oder Kreppband. Möchte man Mouth-Taping dennoch ausprobieren, sollte man sich in jedem Fall vorher mit einem Facharzt oder einer Fachärztin abstimmen. 

Gibt es Alternativen zum Mouth-Taping?

Bei einer diagnostizierten Schlafapnoe können spezielle Beatmungsgeräte oder "Unterkieferprotrusionsschienen", eine Art Zahnspange, welche Kiefer sowie Zunge nach vorne drückt, um die Atemwege im Schlaf offen zu halten, helfen. Da Adipositas ein häufiger Risikofaktor ist, kann auch eine Gewichtsreduktion die Symptomatiken verbessern. Generell gilt: Bevor man sich den Mund zuklebt, sollte man zunächst gründlich abklären, woher die eigenen Schlafprobleme kommen. Ein zertifiziertes Schlaflabor kann dabei unterstützen und helfen, Schlafstörung effektiv zu behandeln. Das eigene Stresslevel zu reduzieren, ein regelmäßiger Schlafrhythmus sowie ein dunkles Schlafzimmer können oft schon zu deutlichen Verbesserungen führen. Und wer vor dem Einschlafen nicht mehr durch sein Handy scrollt, schläft ohnehin oft deutlich besser.