Mythencheck Hat der Mond Einfluss auf den Schlaf? Das sagt die Forschung

  • von Kirsten Segler
Illustration von einem Mondgesicht
Selbst wenn Studien einen Einfluss des Mondes auf den menschlichen Schlaf belegen könnten, bliebe unklar, auf welche Weise der Himmelskörper den menschlichen Organismus beeinflusst 
© Jena Ardell/ / Getty Images
Wenn der Vollmond hell am Himmel steht, erleben viele Menschen ihre Nächte als weniger erholsam und führen ihren unruhigen Schlaf auf die Wirkung des Mondes zurück. Was aber sagen Experten dazu?

Hat der Mond Einfluss auf den menschlichen Schlaf? Die meisten Forschenden haben dafür bislang keine Belege finden können. Eine der wenigen Ausnahmen ist Professor Christian Cajochen, Leiter des Zen­trums für Chronobiologie an der Universität Basel. Cajochen glaubt, tatsächlich Hinweise auf einen solchen Zusammenhang entdeckt zu haben.

Er stützt sich dabei auf die Daten einer Studie, für die 33 Probanden innerhalb eines mehrjährigen Zeitraums im Schlaflabor der Universität übernachtet hatten – ursprünglich, um den Einfluss des Alters auf Schlaf- und Wachzyklen zu untersuchen. Der Mond spielte zunächst keine Rolle.

Als der Forscher die Messdaten später jedoch nach dem jeweiligen Stand des Erdtrabanten sortierte, stellte er fest: Zur Zeit des Vollmondes sowie in den vier Nächten davor und danach schliefen die Probanden messbar schlechter als in anderen Nächten.

In ihrem Speichel fanden sich zudem geringere Mengen des Schlafhormons Melatonin – eines Botenstoffs, der den Tag-Nacht-Rhythmus des Körpers steuert und fast ausschließlich nachts hergestellt wird, da Tageslicht seine Produktion hemmt.

Die Versuchspersonen brauchten abends im Mittel fünf Minuten länger, um zur Ruhe zu kommen, sie schliefen weniger tief und zudem 20 Minuten kürzer. "Das sind keine geringen Abweichungen", so Cajochen. Dabei waren die Probanden im Schlaflabor abgeschirmt von äußeren Einflüssen und konnten den Mond beim Einschlafen nicht wahrnehmen.

Die Ergebnisse der Baseler Studie veranlassten Schlafforscher des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie in München, drei ebenfalls bereits abgeschlossene Studien ihres Instituts auf einen Einfluss der Mondphasen zu untersuchen. Doch sie fanden keinen Effekt.

Die meisten Wissenschaftler bewerten die Ergebnisse aus Basel daher aufgrund der geringen Probandenzahl als Zufallsbefund. Die Münchner Studien umfassten deutlich mehr Teilnehmer: insgesamt 1265.

Und selbst wenn Studien einen Einfluss des Mondes belegen könnten, bliebe unklar, auf welche Weise der Himmelskörper den menschlichen Organismus beeinflussen könnte. Dass seine Gravitationskraft auf das Wasser im Körper einwirkt, wie manche annehmen, gilt als ausgeschlossen.

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Eine eher spekulative Erklärung führt etwa die Chronobiologin Kristin Tessmar-Raible von der Universität Wien an. Sie weist darauf hin, dass es beim Menschen nicht nur eine innere "circadiane" Uhr gibt, die also den Tages­ablauf misst, sondern zusätzlich auch einen "circalunaren" Oszillator. Der Menstruationszyklus der Frauen hat einen solchen inneren Rhythmus.

Circalunare Oszillatoren, die durch Mondlicht justiert werden, erforscht die Deutsche seit vielen Jahren bei Tieren. Vor allem Meereslebewesen, etwa manche Krabben und Würmer, nutzen diesen inneren Kalender, um beispielsweise zur gleichen Zeit zur Fortpflanzung bereit zu sein.

"Es könnte möglich sein, dass der circalunare Rhythmus, der die Mens­truationszyklen beim Menschen steuert, auch Auswirkungen auf andere Vorgänge im Körper aller Menschen, Frauen und Männer, hat", sagt Kristin Tessmar-Raible. Unklar bleibt jedoch, weshalb eine solche circalunare Uhr unseren Schlaf stören sollte. Bislang ist den Forschern auch keine Region unseres Gehirns bekannt, die diesen Mechanismus steuern könnte.

Schlafforscher sehen daher die Ursache für das Phänomen meist in der Psyche des Menschen: Wer bei Vollmond Probleme erwarte, schlafe allein deswegen oft schlechter. Und weil man sich an durchwachte Vollmondnächte besser erinnere als an durchschlafene (oder als an durchwachte Nächte ohne auffälligen Mondstand), entstünde oft fälschlich der Eindruck eines wiederkehrenden Musters.

GEO Gesundheit Wissen Nr. 9 (2020)