Ornithologie Die klügsten Singvögel zwitschern die schönsten Melodien

Sie ist nicht nur eine begnadete Sängerin, sondern auch ziemlich klug: die Katzenspottdrossel
Sie ist nicht nur eine begnadete Sängerin, sondern auch ziemlich klug: die Katzenspottdrossel
© bilanol / Adobe Stock
Wer gut singen kann, ist klug. Diesen Zusammenhang legt eine neue Studie zumindest für Singvögel nahe: Arten, die sich komplexe Melodien aneignen, haben größere Gehirne und sind gut darin, schwierige Probleme zu lösen

Wenn eine Katzenspottdrossel ihr Lied anstimmt, erklingt eine ausgefeilte Komposition: Auf kurze, abgehackte Laute folgen tiefe, weiche Töne. Dann ein Trillern und ein hohes Zwitschern, eine Pause – und schallendes Gelächter. Jedes Lied ist anders, jede Drossel hat ihren eigenen Stil.

Tatsächlich lernen Katzenspottdrosseln ihr Leben lang neue Melodien, können sich Tonabfolgen merken und Laute imitieren. Sie gehören zu den besten Singvögeln der Welt. Und sind ziemlich schlau.

Ein US-amerikanisches Wissenschaftsteam hat diesen Zusammenhang zwischen der Intelligenz von Singvögeln und ihrer Fähigkeit, komplexe Melodien zu erlernen, genauer untersucht. Das Ergebnis: Vogelarten, die gut singen, sind klüger als weniger gute Sänger.

Besonders gut schnitten Blauhäher, Schwarzkopfmeisen und Rotkardinale ab

Ihre Versuchstiere fingen die Ornitholog*innen mit Netzen aus einem Schutzgebiet der Rockefeller University in New York, darunter Katzenspottdrosseln, Blauhäher, Stare und Goldzeisige. Zu 21 freilebenden Arten kamen zwei gezüchtete: Zebrafinken und Kanarienvögel.

Die Forschenden testeten die kognitiven Fähigkeiten von insgesamt 214 Tieren. Um an Körner und Würmer zu kommen, mussten die Vögel vier komplizierte Aufgaben lösen. Es galt, auf bestimmte Stellen eines Apparates zu picken, Stifte herauszuziehen oder bewegliche Teile beiseitezuschieben.

Besonders gut schnitten etwa Blauhäher, Schwarzkopfmeisen, Rotkardinale und Stare ab. Auch die Katzenspottdrossel löste mehr Aufgaben als die meisten anderen Arten.

Insgesamt zeigten Vögel, die ihr Leben lang neue Melodien lernen, fremde Laute nachahmen und über ein großes Tonrepertoire verfügen, überdurchschnittlich gute Leistungen. Auch sind die Gehirne dieser Vogelarten – in Relation zur Körpergröße der Tiere – tendenziell größer als die von weniger guten Sängern.

Für Homo sapiens werde der Zusammenhang zwischen gesprochener Sprache, fortgeschrittenem Denkvermögen und einem vergrößerten Gehirnvolumen schon lange vermutet und intensiv untersucht, schreiben die Forschenden im Fachmagazin Science. Ihre Studie deute auf eine ähnliche Koevolution in der Welt der Vögel hin. Sowohl stimmliches Lernen als auch das Lösen komplexer Aufgaben, das zeigten andere Studien, sind eng verbunden mit dem Fortpflanzungserfolg und den Überlebenschancen einzelner Tiere.

Übersetzt heißt das: Wer gut singt, lebt im Schnitt länger und zeugt mehr Nachkommen. Zumindest, wenn er oder sie ein Singvogel ist.