
Rachel Carson: "Stummer Frühling"
Ein Doppeldecker sprüht um 1950 im Tiefflug DDT über Georgia: Das Gift mit dem schwer auszusprechenden Namen Dichloridphenyltrichlorethan wird nach dem Zweiten Weltkrieg zum am häufigsten verwendeten Insektizid der Welt. Eine fortschrittsbegeisterte Nachkrieggesellschaft setzt es, wie hier, gegen Mücken ein - und damit gegen Malaria. Aber auch gegen Rebläuse, Schädlinge in Tierfutter, gegen Borkenkäfer und Maikäfer, als Insektenspray für den Haushalt. Bis die amerikanische Biologin und Bestsellerautorin Rachel Carson 1962 diesen Satz veröffentlicht: "Wo einst am frühen Morgen der herrliche Gesang der Vögel erschallte, ist es merkwürdig still geworden." Sachlich fundiert und gleichzeitig lebendig geschrieben, zeichnet ihr Buch "Silent Spring" eine düstere Zukunft für Amerikas Kleinstädte: eine Zukunft, in der keine Schmetterlinge mehr flattern, keine Vögel mehr singen. Und in der das Wappentier der USA, der Weißkopfseeadler, ausgestorben ist. Chemische Industrie und Landwirtschaft reagieren sofort auf den Bestseller, attackieren Carson persönlich und starten eine PR-Kampagne für das Gift. Vergeblich: DDT und alle anderen im Buch erwähnten Chemikalien werden in den USA bis 1975 verboten oder stark eingeschränkt, auch der Rest der Welt reagiert. Carson stirbt 1964 an Brustkrebs, 1980 erhät sie postum die Presidential Medal of Freedom - die höchste zivile Auszeichnung ihres Landes.
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