GEOplus: Thüringens AfD-Landeschef Björn Höcke muss sich in Sachsen-Anhalt vor Gericht verantworten – weil er auf einer Wahlkampfveranstaltung im Jahr 2021 die Formulierung benutzt haben soll: "Alles für Deutschland." Was ist an diesem Satz so problematisch?
Prof. Thomas Niehr: Es handelt sich um eine Parole der SA, der paramilitärischen Kampforganisation der NSDAP. Paragraf 86 des Strafgesetzbuches stellt das Verbreiten von Propagandamitteln unter Strafe, "die nach ihrem Inhalt dazu bestimmt sind, Bestrebungen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation fortzusetzen". NS-Parolen auf öffentlichen Veranstaltungen zu verbreiten, ist verboten.
Sind solche Verbote 78 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs noch zeitgemäß?
Meiner Meinung nach zeigt die AfD eindrücklich, warum solche Verbote sinnvoll sind. Der frühere Vorsitzende Alexander Gauland sagte einmal, die AfD wolle die "Grenzen des Sagbaren" ausweiten, also Begriffe verwenden, die lange als inakzeptabel galten. Aus gutem Grund haben wir eine wehrhafte Demokratie, die mit gesetzlichen Mitteln eine öffentliche Verbreitung etwa von NS-Parolen untersagt, um sich selbst zu schützen.

Höcke selbst bezeichnete seinen Ausruf als "Fauxpas". Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass er um die historische Bedeutung schlicht nicht wusste?