Natur verstehen Warum sieht der Eisvogel, was wir nicht sehen?

Um seine Beute unter Wasser anzupeilen, muss der Eisvogel eine optische Illusion in seine Flugbahn einberechnen
Um seine Beute unter Wasser anzupeilen, muss der Eisvogel eine optische Illusion in seine Flugbahn einberechnen
© nature picture library / Michel Poinsignon / mauritius images
Mit erstaunlicher Präzision erbeutet der schillernde Räuber kleine Fische. Damit seine spektakulären Jagdmanöver gelingen, muss der Eisvogel vor allem eins: sein Oberstübchen anstrengen

Er wird auch "fliegender Edelstein“ genannt: Wenn der Eisvogel mit raschem Flügelschlag über einen Fluss oder See flattert, schillert sein Gefieder — einem Saphir gleich — in strahlenden Blautönen. Sobald sich der sperlingsgroße Vogel dann in einem Baum am Rande des Gewässers niederlässt, ist er jedoch perfekt getarnt: Der orangerote Bauch lässt ihn optisch mit dem Astwerk, der kobaltblaue bis türkisfarbene Rücken mit dem Wasser verschmelzen.

Von seinem Ansitz aus hält der hübsche Räuber Ausschau nach Beutetieren. Hat er einen Fisch entdeckt, dauert es nicht lange: Oft hebt der Eisvogel nur kurz ab, dann stürzt er pfeilschnell ins Nass — um in einer Sekunde, meist mit Fisch im Schnabel, auf­- zu­tauchen und wieder auf seinen Ast zu fliegen.

So rasch und leicht sieht das Jagdmanöver aus, dass man den Eindruck haben könnte, Fische zu fangen sei keine große Kunst. Doch weit gefehlt!

Der geschickte Jäger berechnet voraus, wohin genau ein Fisch sich bewegen wird

Damit ein solcher Präzisionsschlag auf ein bewegtes Ziel gelingt, muss der Eisvogel sein kleines Köpfchen anstrengen: Er berechnet voraus, wohin sich der Fisch bewegt. Andernfalls würde er stets an falscher Stelle ins Wasser stoßen. Zudem muss der kluge Vogel eine optische Illusion in seine Flugbahn mit einkal­kulieren: Objekte unter Wasser erscheinen, aus der Luft gesehen, leicht versetzt.

Spezielle Filter im Auge vermindern störende Re­flexionen auf der Wasseroberfläche und erlauben dem geschickten Jäger, seine Beute exakt zu lokalisieren.

Junge Eisvögel müssen erst üben, die Unterwasser-Leckerbissen richtig anzupeilen. Zudem müssen sie trainieren, wie man Fische mit dem Schnabel packt: Am besten am Kopf, um sie dann durch Schlagen auf festen Untergrund zu töten. In der Regel gewinnen die fliegenden Edelsteine schnell an Expertise. Dann haben die Fische nur noch wenig Chancen.