Spinnenschwanzviper Diese Schlange imitiert eine Spinne – dann schnappt sie zu

Auf felsigem Untergrund ist die Spinnenschwanzviper perfekt getarnt
Auf felsigem Untergrund ist die Spinnenschwanzviper perfekt getarnt
© Miroslav Chaloupka / CTK Photo / picture alliance
Video: Wildlife Pictures Institute / Behzad Fathinia et al.
Vogel jagt Spinne, Schlange fängt Vogel: Was aussieht wie eine gewöhnliche Nahrungskette, ist in Wahrheit ein ausgeklügelter Trick

Arglos krabbelt eine Spinne über schroffes Gelände – und wird beinahe zu Vogelfutter. Ein Singvogel setzt zur Landung an, doch bevor er die Spinne erbeuten kann, schlägt aus dem Hintergrund eine Schlange zu. Während die Schlange ihre Beute zu verspeisen beginnt, krabbelt die Spinne unbeirrt weiter. Glück gehabt, oder? Nicht direkt, denn das Ganze war genauso geplant. Die Spinne ist eine Attrappe, und der Vogel ist in die Falle gegangen.

Die Spinnenschwanzviper (Pseudocerastes urarachnoides) ist eine Schlange aus der Gattung der Trughornvipern (Pseudocerastes), zu denen auch die Arabische Trughornviper (Pseudocerastes fieldi) und die Persische Trughornviper (Pseudocerastes persicus) gehören. Bisher konnte sie nur in einem Gebiet im Westen des Irans nachgewiesen werden. Ihre Schwanzspitze dient als Beuteköder, mit dem sie eine Spinne imitiert und Vögel anlockt. 

Solche kaudalen Strukturen sind bei Schlangen keine Seltenheit, sie werden zum Beispiel von Klapperschlangen und anderen Grubenottern zur Abschreckung eingesetzt. Andere nutzen die Schwanzspitze, um Fressfeinde abzulenken oder um Beute anzulocken. So gibt es Schlangenarten, deren Schwanzspitze auffällig gefärbt ist und als Wurmimitat dient, etwa den Nordamerikanischen Kupferkopf (Agkistrodon contortrix). Eine "Spinne" als Köder ist bisher jedoch einzigartig, weshalb Pseudocerastes urarachnoides den geläufigeren Namen "Spinnenschwanzviper" erhielt.

Erstmals wissenschaftlich beschrieben wurde Pseudocerastes urarachnoides 2006 im Zagros-Gebirge. Schon damals gingen Forschende davon aus, dass die Schlange ihre Beute mithilfe eines Schwanzköders anlockt. Hinweis gab nicht nur die auffällige Struktur am Schwanzende, sondern auch der Mageninhalt, von dem sich auf einen Vogel schließen ließ. Die Theorie bestätigte sich, als es erstmals gelang, die Tiere beim Beutefang zu dokumentieren – zu sehen im Video (B. Fathinia et al., 2015).

Etwa ein Drittel ihrer Zeit verbringt die Schlange in der Deckung, während sie die Schwanzspitze hin und her bewegt. Dabei spielt es zunächst keine Rolle, ob sich mögliche Beutetiere in der Nähe befinden. Dass die Schlange aber durchaus trickreich bei der Jagd vorgeht, zeigt sich, sobald ein Vogel in ihre Nähe kommt: Sie steigert die Intensität, mit der sie den spinnenartigen Köder bewegt. Ebenso konnten die Forschenden beobachten, dass die Schlange die Bewegung des Lockmittels zeitweise einstellt und wieder aufnimmt, wenn ein Vogel seine potenzielle Beute aus sicherer Entfernung inspiziert.

Nicht immer ist die ausgeklügelte Strategie von Erfolg gekrönt, manchmal wird sie der Schlange sogar gefährlich, denn der Köder ist flinken Vögeln ausgesetzt, welche ihn mit dem Schnabel beschädigen oder sogar abtrennen können. Welche Folgen das konkret für die Schlange hat, ist noch unklar. Zwar gehen die Forschenden davon aus, dass die Spinnenschwanzviper sich zu einem großen Teil von Vögeln ernährt. Ausgeschlossen ist aber nicht, dass sie auch andere Tiere erbeutet. Die Persische Trughornviper etwa jagt auch Eidechsen, Nagetiere oder Gliederfüßer.