Die Gould-Maus ist nicht nur ein überaus niedlicher Nager. Sie gilt auch seit rund 150 Jahren als ausgestorben. Letzte Sichtungen datieren aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Nun ist sie wieder aufgetaucht – dank genetischer Analysen.
Ein Team um die Biologin Emily Roycroft von der Australian National University hatte das Erbgut von ausgestorbenen und lebenden Spezies untersucht und miteinander verglichen. Bei der DNA-Analyse eines präparierten Museums-Exemplars einer Gould-Maus zeigte sich: Es war identisch mit dem Erbgut einer Maus-Spezies, die heute im Westen des Kontinents auf einigen Inseln in der Shark Bay vorkommt. Was Forscher bislang für eine eigene Art gehalten hatten - die Shark Bay-Maus - ist in Wirklichkeit die verschollen geglaubte Gould-Maus. Das berichten die Forscherinnen und Forscher im Fachmagazin PNAS.
Winziges Rückzugsgebiet
Hätte man auf die Idee schon früher kommen können? Nicht unbedingt. Denn die letzten Funde der vermeintlich ausgestorbenen Spezies stammen vom entgegengesetzten Ende des Kontinents: aus New South Wales.
Für Emily Roycroft und ihr Team ist die Wiederentdeckung der Gould-Maus eine kleine Sensation – die allerdings auch einen ernüchternden Aspekt hat.
"Wir freuen uns, dass die Gould-Maus noch da ist", sagt Emily Roycroft in einer Mitteilung der Universität. Doch die Maus, die einst in fast ganz Australien lebte, sei in kürzester Zeit beinahe aus ihrem gesamten Verbreitungsbiet verschwunden. "Es handelt sich um einen gewaltigen Populationskollaps", so Roycroft.
Das Aus für viele Tierarten kam mit der Ankunft der Europäer
Der Studie zufolge führt Australien die Liste der Länder mit der höchsten Aussterberate in historischer Zeit an. Seit der Kolonisierung durch Europäer im Jahr 1788 sind demnach 34 Säugetierarten ausgestorben. Besonders hart traf es mit einem Anteil von 41 Prozent die Nagetiere. Die DNA-Analysen der Forscher zeigen, dass die genetische Vielfalt der ausgestorbenen Tiere zuletzt groß war – was auf eine weite Verbreitung hindeutet.
Grund für das rasche Verschwinden der Arten waren in Australien bis dahin unbekannte Tiere und Erreger, die die Europäer aus ihrer alten Heimat mitbrachten. Darunter Hauskatzen, die in der Folge verwilderten sowie Füchse und verschiedene Infektionskrankheiten. Auch die Umwandlung von Wildnis in Ackerland trug zum Artensterben bei.
Die Forscherinnen und Forscher hoffen nun, dass ihre Analysen dabei helfen können, das Verschwinden von Arten besser zu verstehen – und die überlebenden zu bewahren. "Wir haben in Australien immer noch eine große Artenvielfalt zu verlieren", sagt Roycroft. "Aber wir tun nicht genug, um sie zu schützen."
Hunderte Tierarten wiederentdeckt
Die Gould-Maus ist eine von mehr als 350 Arten, die in den vergangenen 130 Jahren wiederentdeckt wurden. Zu diesen sogenannten Lazarus-Arten zählen auch der flugunfähige Vogel Takahe aus Neuseeland, der etwa 50 Jahre lang als ausgestorben galt. Nach mehr als einem Jahrhundert wurde im Jahr 2020 das madagassische Voeltzkow-Chamäleon erstmals wieder gesichtet. Im März dieses Jahres gelangen gleich zwei Wiederentdeckungen: Die australische Wildbiene Pharohylaeus lactiferus galt seit fast 100 Jahren als verschollen, der Schwarzbraue Mausdrossling von der Insel Borneo sogar seit mehr als 170 Jahren.