Tabubruch Wie Prinzessin Dianas BBC-Interview bis heute nachhallt

Prinzessin Diana während des Interviews
Am 5. November 1995 besuchte ein Fernsehteam der BBC Diana im Kensington Palace. Im Wohnzimmer interviewte der BBC-Journalist Martin Bashir die Prinzessin
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Vor 30 Jahren schockierte Prinzessin Diana mit einem BBC-Interview die Welt. Das Gespräch war ein Wendepunkt für das britische Königshaus. Und bleibt bis heute kontrovers

Die jahrelange Liebschaft von Prinz Charles und seiner Jugendliebe Camilla, Prinzessin Dianas eigene Affäre mit ihrem Reitlehrer sowie Selbstverletzungen und Essstörungen: Bis Ende 1995 war es undenkbar, dass ein Mitglied des britischen Königshauses mit solch sensiblen Themen an die Öffentlichkeit ging, schon gar keine Prinzessin und schon gar nicht vor laufender Kamera. Doch das änderte sich am Abend des 20. November 1995 – als Diana ein Interview gab, das bis heute nachhallt.

Mehr als 200 Millionen Menschen sahen das über 50-minütige TV-Gespräch, in dem der BBC-Journalist Martin Bashir Prinzessin Diana über ihre Eheprobleme, ihre Depression und ihre Rolle im britischen Königshaus befragte. Die damals 34-Jährige sprach offen über die Untreue ihres Mannes: "Wir waren zu dritt in dieser Ehe, deswegen war es ein bisschen eng." Diese Aussage zählt bis heute zu den berühmtesten Zitaten der britischen TV-Geschichte. 

Schon seit Mitte der 1980er-Jahre war Charles' Affäre mit Camilla Parker Bowles ein offenes Geheimnis gewesen. Doch offiziell hielten die britischen Medien das Bild des Thronfolger-Märchenpaares Charles und Diana aufrecht. Seit Anfang der 1990er-Jahre lebten die Eheleute getrennt, Diana wohnte allein im Kensington Palace. In dessen Wohnzimmer zeichnete die BBC das Interview Anfang November 1995 auf. Vor laufender Kamera sprach Diana ihre Wahrheit aus. Sie berichtete über das einsame Leben hinter den glänzenden Fassaden des Palastes, erzählte von ihrer Affäre mit Reitlehrer James Hewitt und äußerte sich sogar zu ihrer Bulimie. Es war ein emotionales Gespräch, und Mitglieder des britischen Königshauses zeigten ihre Gefühle eigentlich nicht öffentlich. 

Zeitungen mit Prinzessin Diana nach dem Interview mit der BBC
Am 21. November 1995 kennen die britischen Tageszeitungen nur ein Thema: Auf den Titelseiten zitieren sie aus einem Interview mit Prinzessin Diana, das am Abend zuvor in der BBC ausgestrahlt wurde
© Martin Cleaver / AP Photo / picture alliance

Es schlug ein "wie eine Bombe", wie einige Medien damals postulierten. Dianas Aussagen besiegelten das Ende der ohnehin schon zerbrochenen Ehe. Wenig später reichte Charles die Scheidung ein. Heute ist der König mit seiner damaligen Affäre, Camilla, verheiratet. 2025 feierte das Paar seinen 20. Hochzeitstag in Italien. 

Die gespaltene Monarchie 

Doch was bleibt 30 Jahre und weitere Skandale später von dem Medienereignis? Das Interview habe "noch heute ein Vermächtnis", sagte Verfassungsexperte Craig Prescott von der Royal Holloway University of London der Deutschen Presse-Agentur. Es sei unbestritten, dass die Worte Dianas das Königshaus massiv beschädigten. Zusätzlich habe das Interview "vielleicht auch zum ersten Mal eine Art Spaltung in der Unterstützung für die Monarchie hervorgerufen".

Die einen standen auf Charles' Seite und beschuldigten Diana, den Ruf des Thronfolgers beschädigt zu haben. Die anderen hingegen sahen die Prinzessin als Opfer einer toxischen Ehe und als Mutter, für die trotzdem das Wohl ihrer Kinder an erster Stelle stand. "Warum sollte ich etwas zerstören, das die Zukunft meiner Kinder sichert? Ich werde für meine Kinder auf allen Ebenen kämpfen", sagte Diana damals in dem Interview, angesprochen auf Vorwürfe, sie wolle die britische Monarchie zerstören.

"So entstand die Vorstellung, dass die Menschen bei einem Riss innerhalb der königlichen Familie Partei ergriffen", erklärt Prescott. In gewisser Weise habe sich diese Form der Spaltung bis heute gehalten. Viele Royal-Fans unterstützten heute eher Prinz William und Prinzessin Kate als Prinz Harry und seine Frau Meghan, die sich vor gut fünf Jahren aus dem engeren Kreis der Royals losgesagt hatten.

Jahrzehntelang stand ihr Gesicht stellvertretend für die Monarchie Großbritanniens: Queen Elizabeth II.

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Die damals bekannt gewordenen Details seien auch ein Grund dafür, warum Charles "nicht diese uneingeschränkte Unterstützung wie Elisabeth II. genossen hat", so der Experte. Die hohe Popularität seiner Mutter sei für Charles' Ansehen als König jedoch ohnehin immer ein Hindernis gewesen. 

Lügen und Tricks der BBC

Als wäre all dies noch nicht genug für das Königshaus, flammte der Skandal vor wenigen Jahren erneut auf. Diesmal war es jedoch die BBC, die von ihrer Vergangenheit eingeholt wurde.

Aus einem im Jahr 2021 veröffentlichten Untersuchungsbericht ging hervor, dass der damalige Interviewer Martin Bashir gefälschte Dokumente eingesetzt hatte, um Zugang zu Diana zu erhalten. Fingierte Kontoauszüge sollten beweisen, dass sie von Menschen in ihrem Umfeld bespitzelt wird. Später vertuschte die BBC das Fehlverhalten ihres Reporters. Prinz William und sein Bruder Harry kritisierten die BBC massiv für das Verhalten gegenüber ihrer Mutter.

Dies sei bis heute der "möglicherweise schwerwiegendste Skandal der BBC", sagt Prescott. Ausgerechnet ihr berühmtestes Interview habe sich die weltbekannte Rundfunkanstalt mit Lug und Trug erschlichen. "Das war für die BBC genauso schädlich wie für die Monarchie", so der Experte.

Die Sendeanstalt entschuldigte sich 2021 für ihren Fehler und erkannte das Untersuchungsergebnis vollauf an. Das Interview habe einen "wesentlichen Beitrag" geleistet, dass sich die Beziehung seiner Eltern verschlechtert habe, sagte William damals. Das Verhalten des Reporters habe erheblich zu Dianas Angst, Paranoia und Isolierung beigetragen. Besonders schmerzhaft sei, dass seine Mutter die Wahrheit nicht mehr erfahren habe.

Eine Hassliebe: Das Königshaus und die Presse

Diana war im August 1997 bei einem Verkehrsunfall in Paris gestorben, als sie von Paparazzi verfolgt wurde. Das Verhältnis des Königshauses zu den Medien habe sich durch das Interview verändert und sei spätestens nach Dianas Tod professioneller geworden. 

Zwar gebe es Ausnahmen wie Ex-Prinz Andrew, der sich und dem Königshaus vor einigen Jahren mit einem BBC-Interview ein PR-Desaster verschaffte. Doch habe die royale Familie inzwischen verstanden, "wie sie mit den Medien umgehen muss", stellt Prescott fest. "Das war eine der Lektionen, die sie nach dem Interview und nach Dianas Tod gelernt haben." 

Der BBC-Generaldirektor Tim Davie erklärte 2021, der Sender werde das Interview nicht mehr ausstrahlen. Zudem lizenziert die BBC das Material auch nicht an Dritte. 30 Jahre nach seiner Erstausstrahlung wird das legendäre BBC-Interview mit Prinzessin Diana nicht wieder gezeigt. 

Patricia Bartos